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Berlin: Justiz will mehr Sicherheit in Gerichten

Nach dem vereitelten Amoklauf eines Rentners denkt die Verwaltung über Einlasskontrollen nach

Der 62-jährige Heinz F., der am Dienstag schwer bewaffnet in das Sozialgericht in Mitte gestürmt war, hat gestern Haftbefehl bekommen. Anhaltspunkte, dass der Mann aus Vogelsang (Landkreis Oder-Spree) in einer Psychiatrie untergebracht werden müsste, hatten sich nicht ergeben.

Heinz F. war, wie berichtet, mit einer scharfen Pistole und einer russischen Panzermine vom Typ TM62 in das Gerichtsgebäude in der Invalidenstraße eingedrungen. Er konnte nach wenigen Minuten von acht alarmierten Polizisten überwältigt werden, ohne dass jemand verletzt wurde. Sein Motiv: Er wollte sich dafür rächen, dass das Gericht seinen Antrag auf Kostenübernahme einer Operation abgelehnt hatte. Bis vor drei Jahren hatte Heinz F. mit seiner Ehefrau am Herrfurthplatz in Neukölln gelebt. 1989 habe es ein Verfahren um die Kosten einer Operation an der Lendenwirbelsäule bei dem umstrittenen Professor Julius Hackethal gegeben, erklärte die Sprecherin des Landessozialgerichts Berlin, Susanne Becker. „Das Verfahren wurde 1991 abgeschlossen. Die Kostenübernahme wurde abgelehnt.“ Ob es nun einen weiteren Rechtsstreit mit der Krankenkasse gegeben hatte, konnte die Sprecherin nicht sagen. Die Ehefrau des Täters sagte, dass ihr Mann vor rund 30 Jahren einen Arbeitsunfall hatte und seither unter starken Schmerzen gelitten habe.

Derzeit ist noch unklar, woher Heinz F. die beiden Panzerminen hatte, von denen er eine am Bauch trug und die andere später in seinem Auto gefunden worden war. Laut Polizeiangaben betrug der Sprengstoffgehalt der Mine 7,5 Kilogramm. Zum Vergleich: Beim Anschlag auf die Diskothek „La Belle“ in Schöneberg vor 18 Jahren, bei dem drei Menschen starben und 163 verletzt wurden, waren drei Kilogramm Sprengstoff explodiert.

Die Pförtnerin Rosemarie R. (55), die noch versucht hatte, Heinz F. die Waffe aus der Hand zu schlagen, stand gestern wieder an der Pforte. „Sie ist wie alle hier noch fassungslos, kam aber wieder zum Dienst“, sagte Sprecherin Susanne Becker. Ihr sei die Situation, in der sie sich befunden hatte, durchaus bewusst gewesen. „Ich komme aus dem Osten und kenne mich mit russischen Minen aus“, soll sie hinterher Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) gesagt haben. Weil sie „nicht einfach zusehen wollte“, habe sie sich dem bewaffneten Heinz F. mutig in den Weg gestellt.

Justizsenatorin Schubert prüft jetzt, ob die Sicherheitsvorkehrungen verändert werden müssen. Wie Sprecherin Andrea Boehnke gestern sagte, werden „alle Gerichte befragt, wie sie die Sicherheit in ihren Gebäuden einschätzen .“ Im Mittelpunkt stehen vor allem das Sozial-, Vormundschafts- und Familiengericht. Hier werde oft über menschliche Schicksale entschieden, bei denen dann Emotionen hochkommen. Mitarbeiterinnen des Sozialgerichts hatten nach dem vereitelten Amoklauf gesagt, dass es öfter vorkomme, „dass hier Leute ausrasten und dann ein Hausverbot bekommen“. Doch einen Vorfall wie diesen habe es noch nicht gegeben. Bislang ist nur das Kriminalgericht in Moabit mit einer Sicherheitsschleuse ausgerüstet. Doch reicht es nicht nur, Detektoren zu installieren, die Metallgegenstände aufspüren. Es muss auch Personal bereitgestellt werden, das die Kontrollen übernehmen kann.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sehe derzeit keine „gesonderte Gefährdungslage“ für öffentliche Gebäude, sagte seine Sprecherin Henrike Morgenstern: „So schlimm der Fall war: Man muss ihn als Einzelfall sehen.“ Bislang wurden die Sicherheitsvorkehrungen lediglich in der Ausländerbehörde in Moabit verstärkt, nachdem sich dort im Mai dieses Jahres ein Afrikaner aus Sierra Leone mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Der Mann wurde schwer verletzt. „Danach haben wir dort einen privaten Sicherheitsdienst engagiert“, sagt Morgenstern.

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