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Berlin: Kabale und Arbeit

Deutschlands größtes Kindertheater verteidigt Einsatz von Ein-Euro-Jobs. Geschäftsführer will Beschäftigten Berufsperspektiven geben

Erst kamen Kontrolleure von der Arbeitsagentur, dann fragte das Bezirksamt nach, schließlich die Senatsverwaltung für Kultur. Seit der Tagesspiegel in der vergangenen Woche berichtete, dass das Theater an der Parkaue in Lichtenberg Ein-Euro-Jobber beschäftigt, sieht sich die Theaterleitung unter Rechtfertigungsdruck. Jetzt beschäftigt sich das Abgeordnetenhaus mit dem Thema. Der Abgeordnete Wolfgang Brauer will dazu heute im Kulturausschuss Senator Thomas Flierl (beide Linkspartei) befragen.

Brauer sieht den Fall als „Alarmzeichen“. Es sei nicht auszuschließen, dass weitere Häuser auf Ein-Euro-Jobber zurückgreifen. Das Problem liege aber nicht beim Theater, sondern in den Sparbeschlüssen des Senats. Das Kinder- und Jugendtheater werde seit Jahren als „finanzieller Steinbruch“ begriffen.

Die Theaterleitung befürchtet, dass die Debatte als Vorwand genutzt wird, um dem Theater an der Parkaue, Deutschlands größtem Kinder- und Jugendtheater, zu schaden. Dass eine öffentliche Spielstätte Ein-Euro-Jobber einsetzt, ist ungewöhnlich, aber nach einer von Senat, IHK und Handwerkskammer herausgegebenen Positivliste erlaubt. Verwaltungsdirektor Jürgen Lautenschläger betont die Chancen der „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“, wie die Jobs offiziell heißen. „Es ist an der Zeit, dass dieses Negativimage vom Tisch kommt“, sagt er. Das Theater nutze keine billigen Arbeitskräfte aus, sondern achte darauf, den Menschen eine Berufsperspektive zu geben. Derzeit sind dort sechs dieser Kräfte beschäftigt.

Einem ehemaligen Ein-Euro-Jobber habe das Theater nach Ablauf seines sechsmonatigen Jobs einen Zeitvertrag, einem anderen ein Praktikum gegeben. Eine Frau, die sich um das Theaterarchiv kümmerte, habe inzwischen woanders eine feste Stelle gefunden. „Wir machen das, weil es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist“, sagt Lautenschläger.

Lautenschläger kritisiert die unklare Rechtslage. „Niemand weiß genau, was geht und was nicht, weil die Richtlinien schwammig sind“, klagt er. Es koste viel Zeit, Aufgaben zu finden, die sowohl sinnvoll als auch zusätzlich sind. Intendant Kay Wuschek hält nicht viel von dieser Beschränkung: „Was ist das für ein Selbstwertgefühl, wenn ich jemandem dauernd sage, du machst nur Hilfstätigkeiten?“

Wuschek sieht ein viel tiefgreifenderes Problem. Die Gesellschaft müsse sich darauf einstellen, dass nicht für jeden Arbeit da sei. Das sei eine Herausforderung auch für das Kinder- und Jugendtheater. „Was will man 14-Jährigen erzählen?“, fragt Wuschek. Das Theater wolle „Lust auf eine Realität machen, die vielleicht nicht die lustigste ist“.

Passend zum Thema hat am Donnerstag „Agent im Spiel“ von David Craig Premiere. In dem Stück geht es um Kinderarmut. Hauptfigur ist der zehnjährige Daniel, der mit seiner arbeitslosen Mutter auf Jobsuche schon achtmal umziehen musste. „Das Stück geht mit dem Problem nicht ideologisch um, sondern erzählt Geschichten von Menschen“, sagt Wuschek. Die Botschaft sei, auf der Bühne wie in der Realität an der Parkaue: „Man kann als Arbeitssuchender auch kreativ werden.“

Theater an der Parkaue im Internet:

www.parkaue.de

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