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Berlin: Kampagne gegen Kunststoff

Mehr Wege als Einweg, lautet ihr Motto. Migrantinnen ziehen gegen Plastiktüten zu Felde In Supermärkten verteilen sie Recyclingtaschen: Wer zehn Mal damit einkauft, bekommt fünf Euro zurück.

Der Gegner ist in der Überzahl. Es sind Zehntausende, gegen die Magdalena Adamczyk-Lewoczko und ihre zwölf Mitstreiterinnen zu Felde ziehen. „Bis zu Zehntausend in der Woche allein in einem einzigen Supermarkt“, sagt die Soziologin Adamczyk. Sie und die anderen an der Aktion beteiligten Frauen, die aus Osteuropa, Lateinamerika und der Türkei stammen, kämpfen gegen den Gebrauch von Plastiktüten. Mit Bonuskarten, Aufklebern und selbst gefärbten und genähten Taschen aus recycelten Stoffen, Bettwäsche etwa. „Denk an mich“, steht in sechs Sprachen drauf.

„Mehr Wege als Einweg!“ heißt das Modellprojekt des Bildungsträgers Life in elf Geschäften in Wedding und Neukölln, deren Inhaber polnische, türkische und arabische Wurzeln haben. Die Initiative „Trenntstadt“ der Berliner Stadtreinigung, der Firma Alba, von Berlin Recycling und der Stiftung Naturschutz sorgt für die Finanzierung. Mehr als 3000 Tüten hätten sie seit Anfang Februar schon eingespart, sagt Adamczyk. Das ist aber nur Theorie, nachprüfen kann sie das kaum.

30 Aktionstage umfasst die Kampagne, die noch bis Ende April dauern soll. An einem sonnigen Vormittag haben vier der Frauen einen Informationsstand im Eingang des Bolu-Supermarktes an der Hermannstraße in Neukölln aufgebaut: Eine bleibt dort bei den Aufklärungspostkarten, auf denen etwa steht, dass mehr als 6,4 Millionen Tonnen Plastik jedes Jahr in die Ozeane gelangen. Die anderen schwärmen aus in Richtung Gemüseabteilung und Kassen. Dort hat niemand Zeit und Nerven für sie. Das Obst und andere Waren werden erst in weißen und dann noch einmal in orangeroten Plastik verpackt: Tüte in Tüten, alle gratis.

Lächelnd und ein wenig schüchtern nähert sich Beata Göpfert, 43, die vor 20 Jahren aus Polen kam, einer Kundin mit Kopftuch. „Möchten sie nicht lieber eine von unseren Stofftaschen benutzen?“ Die Kundin winkt zunächst ab. Sie habe doch schon so was zu Hause, vergesse den Beutel aber immer. Doch dann erklärt Göpfert das Bonus-Karten-System: Man bekommt fünf Euro zurück, wenn man zehnmal mit der blauen Tasche in einem der elf Geschäfte war. Das überzeugt die Kundin. Sie bekommt Karte und Tasche gegen eine kleine Spende. Dann stapft sie mit einem Dutzend Plastiktüten davon – und dem einen gefüllten blauen Beutel. „Wir rechnen, dass einer eine Tüte ersetzt“, sagt Adamczyk. „Es ist ein Anfang. In kleineren Geschäften läuft es besser.“

Die Projektleiterin ist Mitarbeiterin des Vereins Life und hatte die Idee zu der Aktion. Dazu gehört auch, dass die Migrantinnen mehrere Wochen lang in Workshops zur „Kiez-Umweltbotschafterin“ ausgebildet werden – und so auch eine soziale Betätigung finden. Göpfert, die ein Mathematikstudium abgebrochen hat, ist Hausfrau und Mutter. „Ich habe damit angefangen, weil ich Gesellschaft wollte“, sagt sie. „Ich finde, dass man etwas tun muss gegen das, was auf der Erde passiert. Für die Zukunft meiner Kinder.“ Und sie sei auch schon selbstsicherer geworden dadurch, dass sie ständig fremde Menschen anspricht. „Ein Mann hat mir gerade gesagt, dass es doch die Großen seien, die die Welt verschmutzen. Aber auch wir Kleinen können doch etwas tun“, sagt sie. „Die Plastiktüten mehrmals benutzen und bitte hinterher in die gelbe Tonne“, ruft sie einem Paar hinterher, das mit vielen gefüllten Einkaufstüten davongeht. Daniela Martens

www.life-online.de

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