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Berlin: Kampfhunde: Frauchens bittere Tränen, Herrchens ohnmächtige Wut

Nach dem Urteilsspruch brechen die ersten in Tränen aus. Als der Gerichtspräsident Helge Sodan in seiner Begründung dann über die Aggressivität und das Beißverhalten von Kampfhunden spricht, verlassen viele Hundebesitzer empört den Saal.

Nach dem Urteilsspruch brechen die ersten in Tränen aus. Als der Gerichtspräsident Helge Sodan in seiner Begründung dann über die Aggressivität und das Beißverhalten von Kampfhunden spricht, verlassen viele Hundebesitzer empört den Saal. "Das ist eine Lüge!" ruft einer den Verfassungsrichtern zu. Sodan zuckt nicht mit der Wimper, er dreht die Lautsprecher auf.

Punkt für Punkt geht der Richter die Beschwerden der Halter durch und kommt jedes Mal zu demselben Ergebnis: Die Berliner Kampfhundeverordnung, die im vergangenen Jahr nach den tödlichen Bissen in Hamburg erlassen wurde, ist laut Urteil "verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden".

Wie berichtet, wollten 35 Tierhalter mit ihrer Beschwerde die Senatsverordnung kippen. Sie führten an, dass die Auflagen gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot in der Verfassung verstoßen. Neben dem Leinen- und Maulkorbzwang für zwölf Rassen müssen Besitzer jener fünf Kampfhunde-Rassen, die als besonders gefährlich gelten, zudem Unbedenklichkeitsbescheinigungen für sich und das Tier vorweisen. Ferner dürfen diese Rassen - Pitbull, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier und Tosa Inu - nicht neu angeschafft oder gezüchtet werden.

Völlig zu Recht, sagt Sodan. Die so genannte Rassenliste verletze "Halter dieser Hunde nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung". Aus fachwissenschaftlichen Aussagen lasse sich schließen, dass es "Aggressionszüchtungen" gibt und dass sich bestimmte Hunderassen hierfür besonders eigneten. "Der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen hat oberste Priorität", sagt Sodan. Die Entscheidung des Senats sei sachlich vertretbar, da die Haltung von Kampfhunden die Gefahr erhöhe, dass es bei "Beißzwischenfällen" zu schweren oder gar tödlichen Verletzungen komme.

Damit ist das Berliner Verfassungsgericht zu einer anderen Aufassung als die Richter in Schleswig-Holstein und Niedersachsen gekommen. Ende Mai hatten die Gerichte Teile der dortigen Hundeverordnungen für nichtig oder rechtswidrig erklärt. Die Richter bemängelten vor allem, dass als Kriterium für die Gefährlichkeit die Hunderasse zu Grunde gelegt wurde. Die Berliner ließen sich hingegen von den "fachwissenschaftlichen Aussagen" überzeugen.

Der Berliner Senat sei mit der Verordnung seinem präventiven Schutzauftrag nachgekommen, führt Sodan aus. In der Stadt gebe es bundesweit die meisten Hunde. Die Halter seien in ihrer Handlungsfreiheit auch durch die Kennzeichnungspflicht nicht eingeschränkt. Maulkorb und Leine seien geeignet, die Sicherheit der Einwohner zu erhöhen. "Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich", sagt Sodan.

Freude auf der einen, Wut auf der anderen Seite. Die Beschwerde-Anwältin Annet Löwe kritisiert das Urteil: "Die Entscheidung ist falsch und macht die Stadt nicht sicherer." Sie kündigt an, jetzt für jeden einzelnen Fall Klagen bei den Verwaltungs- und Amtsgerichten einzureichen.

Enttäuscht reagiert auch der Tierschutzverein. "Wir haben uns von Anfang an gegen eine pauschale Rasseliste ausgesprochen." Senats-Anwalt Thomas Kunze zeigt sich zufrieden. "Das ist eine Ermutigung, im noch ausstehenden neuen Hundegesetz weiter reichende Regelungen zu treffen." Sozialsenatorin Gabriele Schöttler nahm das Urteil zum Anlass noch einmal Bilanz zu ziehen. Demnanch ist die "Zahl der Beißvorfälle" im Jahr 2000 gegenüber 1999 um 20 Prozent zurück gegangen. Ein neues Bundesgesetz soll künftig nicht nur widerrechtliches Handeln oder Züchten, sondern auch das unerlaubte Halten gefährlicher Hunde unter Strafe stellen.

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