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Berlin: Kein Grund, sich zu brüsten

Mehrere Berliner haben sich beim Werberat über anzügliche Kaffeewerbung beschwert. Wahrscheinlich vergebens

Von Stefan Jacobs

„Achtung Männer: Blondinen mit Dosen im Haar und Leergut im Dekolleté können euch jederzeit begegnen – auch wenn ihr gar nicht damit rechnet. Deshalb trinkt unseren kalten Kaffee, damit ihr im Ernstfall wach seid!“ So ungefähr wollen die Schöpfer ihre Werbeplakate verstanden wissen, mit denen sie in den vergangenen Tagen die Stadt zugepflastert haben.

Ein paar Leute verstanden die Plakate anders und beschwerten sich beim Werberat, weil ihrer Meinung nach eine nur mit Dosen bekleidete Frau immer noch ziemlich nackt aussieht und weil Getränke grundsätzlich nicht zwischen Brüsten aufbewahrt werden sollten. Auch keine Viertelliter-Slim-Dosen.

Der Werberat bewegt sich seit 31 Jahren auf solch schlüpfrigem Terrain und hatte im vergangenen Jahr unter anderem darüber zu befinden, ob drei Brüste zu viel sind. Ergebnis: sind sie, wenn ihre Trägerin obendrein auf allen Vieren herumkrabbelt wie ein Tier. Also forderte der Werberat – in diesem Fall eine Elektronikkette – auf, die Plakate abzunehmen. Und auf den Werberat, in dem Vertreter von Unternehmen, Werbeagenturen und Medien sitzen, wird gehört. Die Entscheidungen fällt eine 13-köpfige Runde. Die größte Beschwerdeflut gab es vor einem Jahr, als mehr als 1000 Leute eine groß angekündigte Bettgeschichte in einer Boulevardzeitung monierten.

Volker Nickel, Sprecher des Werberates und seit 31 Jahren dabei, sagt, die zehn Männer seien oft strenger als die drei Frauen im Gremium. Außerdem sagt er, dass jemand in der eingeklemmten Dose einen Penis gesehen habe, aber das bleibe der Fantasie des Betrachters überlassen. Offiziell werde der Werberat erst heute über das Plakat befinden, aber die Tendenz sei absehbar: genehmigt. Denn das Motiv sei so lächerlich, dass es nicht ernst genommen werden könne, sondern allenfalls geschmacklos sei. „Aber Geschmackszensur ist nicht unsere Aufgabe. Uns interessiert nur, ob es frauenfeindlich, diskriminierend oder erniedrigend ist.“

Also dürfen die Brüste wohl bleiben. Sie gehören übrigens der Ex-Pornodarstellerin Gina Wild, die jetzt wieder Michaela Schaffrath heißen und seriöser werden will. Offensichtlich liegt noch ein weiter Weg vor ihr, aber Markus Sprungala von der Berliner Kaffeedosenfirma sieht sich schon am Ziel: Die Einschaltung des Werberates habe „eine Welle ausgelöst, die wir natürlich gebrauchen können“. Außerdem hätten sie „viele zustimmende Faxe“ bekommen und nur zwei, drei üble Beschimpfungen. Mit 1400 Plakaten in Berlin und Umgebung sei die Aktion überhaupt konkurrenzlos. Besonders stolz ist Sprungala auf die rotierenden Werbewände, die „erst den Kopf und dann die Brustpartie von der Michaela“ zeigen.

Volker Nickel vom Werberat sagt über Leute wie Sprungala und seine Michaela: „Aufsehen ist noch kein Ansehen für ein Produkt.“ Aber das müsse jeder selber wissen.

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