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Berlin: Kino, Kirche, Karaoke

Rund ums Kreuzberger Tempodrom feiert die Jugend im Zeichen des Kreuzes

Sie tragen den Kirchentagsschal als Kopftuch, als Gürtel, um das Handgelenk geschlungen oder den Oberschenkel. Auf dem Areal des Anhalter Bahnhofs gehört der Kirchentag der Jugend. Vor einer Bühne hat sich die Menge versammelt. Jeder, der den Mut findet, Karaoke zu singen, wird freundlich beklatscht – auch wenn der Ton nicht stimmt. Im Tempodrom tanzt derweil eine ausgelassene Menge zu Judy Baileys christlichen Gesängen. Mittendrin sitzt ein Pärchen und wiegt sich zu „Don’t you know God is Love“. Vor dem Saal macht Nicola aus Heilbronn Pause, Helferin vom Verband christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder. Sie sieht ziemlich fertig aus. „Das kommt von der Sonne.“ Richtig viel Zeit, den Kirchentag zu genießen, bleibt Nicola nicht, um sieben Uhr hat sie wieder Dienst.

Draußen knallt die Sonne auf Informationszelte über das freiwillige soziale Jahr, Projekte in Afrika und Asien. Auch Linda aus Dortmund und Patrik aus Irland haben ihre Projekte vorgestellt. „Wir wollen Jugendarbeit weiterentwickeln“, erklärt Linda. Die multinationale Gruppe hat auf dem Messegelände Ideen zu einem behindertengerechten Segelschiff und einem Ponyhof vorgestellt. Sie wollen ihre Ideen in die Welt tragen, auch durch ihre Mitglieder aus Montenegro, Serbien, Schweden und Italien. „Hier können wir uns austauschen, andere Partner finden.“

Am Fußballplatz vorbei, auf dem Kinder mit Riesenhandschuhen boxen, geht es zum Respect-Zelt. Hier kann man mit Spezialgeräten ausprobieren, wie man sich im Rollstuhl oder als Blinder fühlt. Es gibt einen Schnupperkurs in Gebärdensprache. Julia und Lylia vom Niederrhein kommen zu spät, um mitzumachen. Aber das macht nichts, auf die Stimmung kommt es an. Niemand drängelt, es gibt keine lauten Worte.

Mitunter wird der Kirchentag Opfer seines eigenen Erfolges, wie in der Lukaskirche in der Bernburger Straße, wo der Forrest-Gump-Kinogottesdienst stattfinden soll. Hunderte stehen vor der Tür, und selbst, als die Kirche bis auf die Fenstersimse gefüllt ist, reicht der Platz nicht. Aber der Kirchentag ist auch Improvisation: Lautsprecher werden vor die Kirche gestellt. Anke und Patrick aus Wuppertal immerhin haben einen kostbaren Platz in der Kirche ergattert. „Das Publikum ist überall gut gemischt“, lobt Anke, „und an allen Ecken wird gesungen.“

Andere, wie Rabea und Martin aus Tuttlingen, planen die Schlange schon ins Tagesprogramm ein und kommen eine Stunde früher zum Gottesdienst. Manchmal nützt selbst das nichts. Die Zuschauer des Schattentheaters im Tempodrom blieben am Freitagabend gleich zur „Nacht der Lichter“ der französischen Brüdergemeinschaft Taizé im Raum – die Menschen, die zum Teil fast zwei Stunden draußen anstanden, gingen leer aus. Monitore auf der Möckernstraße mussten helfen. „Es saßen tausende Menschen die ganze Straße hinunter“, erzählt Gaby von der evangelischen Studentengemeinde Bremen. Die ruhigen, immer wiederkehrenden Gesänge stimmten auch die frustrierten Gemüter um und zur Meditation ein. Erst gegen halb elf abends verließen die ersten Gruppen den Taizé-Kreis – mit brennenden Kerzen und leuchtenden Augen.

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