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In „Casablanca“ findet sich das vielleicht berühmteste falsch übersetzte Filmzitat: „Ich schau dir in die Augen, Kleines.“

© imago

Kinofilme ohne Übersetzungsfehler?: Von Neukölln bis Spandau zeigen viele Kinos Filme in englischer Originalfassung

Das Cinestar am Potsdamer Platz war bekannt für Originale. Nach dem Aus gibt es aber noch genug Kinos die Filme in der Originalfassung zeigen.

Das berühmteste Filmzitat, bei dem Original und deutsche Synchronversion besonders weit auseinanderklaffen? Klar, das findet man in „Casablanca“ von Michael Curtiz. „Ich schau dir in die Augen, Kleines“, scheint Rick alias Humphrey Bogart seiner angehimmelten Ilsa zuzuraunen, ein Liebesbekenntnis der romantischsten Art.

Im Original klingt das sehr viel, nun ja, nüchterner: „Here’s looking at you, kid“, und wie so oft hebt Bogie dazu sein Glas. Scheinbar hat man dafür eine halbwegs korrekte Übersetzung gefunden, nach amerikanischem Sprachgebrauch handelt es sich dabei aber um einen weithin bekannten, nicht nur in „Casablanca“ zu findenden Trinkspruch. Korrekt wäre also eher ein schlichtes „Prost“.

Übersetzungsfehler sind die Regel

Doch von solchen haarsträubenden Verfälschungen mal abgesehen: Auch wenn Synchronfassungen ausländischer Filme nach wie vor den Löwenanteil in deutschen Kinos ausmachen – sie sind nicht jedermanns Sache. Häufig klingen Dialoge völlig entstellt, passen in Färbung und Tonlage nicht mehr zu den Geschichten. Nicht immer gelingt so ein Geniestreich wie seinerzeit in „My Fair Lady“, als aus dem Londoner Cockney-Englisch der Titelfigur waschechtes Berlinerisch wurde.

Gerade Kinofreunde mit Hang zum Original muss es daher besonders geschmerzt haben, als zum Jahreswechsel das auf englische, untertitelfreie Originalfassungen festgelegte Cinestar am Potsdamer Platz seine Türen schloss. Würde die gerade während der Berlinale beschworene Internationalität der Stadt nicht einen erheblichen Schaden erleiden, das englischsprachige Publikum künftig orientierungslos durch die hiesige Kinolandschaft irren?

Odeon - das erste, dass ausschließlich Originalversionen zeigte

Nun, so schlimm wurde es nicht, so bedauerlich das Aus für das gerade als Premierenkino hochgeschätzte Lichtspieltheater im Sony-Center auch war. Es hat sogar zu einem, zugegeben kleinen, Zuwachs fürs englischsprachige Kino in Berlin gesorgt: Die Yorck-Gruppe, die zuvor schon jeweils einmal pro Woche mit OmU-Versionen – also Original mit Untertiteln – zur Sneak Preview ins Filmtheater am Friedrichshain und in der Passage Neukölln bat, hat dieses Angebot nun auch donnerstags im Delphi Lux am Zoo – als OV, also Originalversion.

Zu der Gruppe gehört seit 1986 das Odeon in der Schöneberger Hauptstraße, damals das erste, das ausschließlich Originalversionen zeigte. Mit dem deutschen Publikum allein wäre das damals nicht zu machen gewesen, man profitierte davon, dass das Kino auf dem Trampelpfad der US-Soldaten zwischen dem Flughafen Tempelhof und dem Zehlendorfer Hauptquartier lag, wie Geschäftsführer Georg Kloster sich erinnert. „Out of Africa“ mit Untertiteln – nur dort war das in Berlin zu sehen, Kloster hatte die zuvor auf der Berlinale gezeigte Kopie ergattern können.

Junges, studentisches Publikum bestimmt das Angebot

Zwei Jahre später kam das Babylon in Kreuzberg hinzu, in den Neunzigern die mittlerweile geschlossene Kurbel in Charlottenburg und das Cinema Paris mit seinem französischsprachigen Programm. Nach und nach habe man das Angebot ausgebaut, zeige etwa im Rollberg in Neukölln zunehmend Filme ohne Untertitel, wie vom dortigen Publikum bevorzugt, vermehrt auch nichtenglischsprachige, die dann mit englischen Untertiteln. Fast alle Kinos in Neukölln und Kreuzberg zeigten bereits Originalversionen, das liege auch an der veränderten Bevölkerungsstruktur mit viel jungem, oft studentischen Publikum.

Blaues Kino. Das Delphi LUX der Yorck-Kinogruppe neben dem Bahnhof Zoo.
Blaues Kino. Das Delphi LUX der Yorck-Kinogruppe neben dem Bahnhof Zoo.

© Mike Wolff

Auch beim Delphi Lux hat Kloster gleich einen Schwerpunkt aufs Original gelegt – nach dem Motto „Das Angebot stimuliert die Nachfrage“. Man habe sich das Publikum gewissermaßen erzogen, profitiere davon, dass auch die heute Ende Sechzigjährigen schon Englisch in der Schule hatte, dazu kämen die vielen Touristen und die aus aller Herren Länder zugezogenen Neu-Berliner.

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Eine Verschiebung der Publikumsstruktur, auf die auch Multiplex-Ketten wie die UCI reagieren, die in Berlin mit vier Großkinos vertreten ist. Auch dort hat man festgestellt, dass die Nachfrage nach Filmen in Originalsprache in Berlin in den letzten Jahren zugenommen hat, wie Nadine Breuer, Pressesprecherin der in Bochum ansässigen UCI Multiplex GmbH, bestätigt.

Bei der Eröffnung des UCI Luxe Kinos am Mercedes-Platz in Friedrichshain habe man daher gleich gerade für internationale Gäste auch englischsprachige Filme angeboten. Dort zeige man täglich Filme im Original, darunter Blockbuster wie „Star Wars“, aber auch Arthouse-Filme wie „1917“ oder „Jojo Rabbit“. Selbst russische und asiatische Filme in Originalfassung mit deutschen Untertiteln habe man dort im Programm, aktuell etwa den Oscar-Gewinner „Parasite“. Im UCI Colosseum im Prenzlauer Berg und im UCI Luxe Potsdam zeigt die Kette ebenfalls regelmäßig Filme in englischer Originalfassung. Im UCI Am Eastgate sind es neben englischen OVs auch russische oder sogar indische Filme mit Untertiteln.

Kinos in Spandau geben Zusatzvorstellungen in Originalsprache

Ähnlich sieht es in den vier Berliner Kinos der Kette Cineplex aus, zu dem etwa der Titania-Palast in Steglitz gehört, 1951 das allererste Berlinale-Kino. Dort zeigt man vor allem Filme fürs Massenpublikum, und wenn ein Film gut laufe, laufe auch die Originalversion gut, die der OmU-Version zunehmend vorgezogen werde, wie Paulina Mertins von der für die Berliner Cinestar-Kinos verantwortlichen To the movies Filmverleih- und Filmtheaterbetrieb GmbH in Kleinmachnow zu berichten weiß.

Besonders Verfilmungen von Marvel-Comics – dazu gehören Geschichten um Captain America, Hulk oder Iron Man – oder DC Comics mit Figuren wie Batman oder Joker liefen sehr gut, gerade in der Originalversion. Außer in Spandau gibt es in allen Cineplex-Kinos solche Vorstellungen, durchweg als Zusatzangebot, neben den synchronisierten Fassungen. Dazu bedarf es eines größeren Saalangebots, im Spandauer Kino mit seinen fünf Sälen sei das nicht möglich, erklärt Paulina Mertins. Es liegt also nicht an den Spandauern.

Die Marvel-Filme laufen im Original sehr erfolgreich.
Die Marvel-Filme laufen im Original sehr erfolgreich.

© promo

Auch in kleineren Ketten wie der um das Moviemento in Kreuzberg, zu der das Central an den Hackeschen Höfen und das Toni in Weißensee gehören, nehmen originalsprachige Filme breiten Raum ein. In seiner Schulkino-Reihe werden sogar englischsprachige Kinderfilme mit deutschen Untertiteln geboten. Und auf der Website des Moviemento kann man zwischen einer deutschen und einer englischen Version hin- und herklicken.

Das Arsenal am Potsdamer Platz zeigt Klassiker

Es sieht also auch ohne das Cinestar am Potsdamer Platz in Berlin ziemlich gut für die Freunde originalsprachiger Filme aus, auch in kleinen Häusern wie dem Il in der Neuköllner Nansenstraße, das ausschließlich solche Versionen zeigt. Selbst des Deutschen nicht mächtige Kinofreunde mit einem Faible für deutsche Filme kommen auf ihre Kosten – wie derzeit im Sputnik am Kreuzberger Südstern, wo „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ läuft, auf Deutsch, englisch untertitelt.

Und wessen Herz für Klassiker schlägt, ist im Arsenal am Potsdamer Platz gut aufgehoben. Demnächst läuft dort Sam Peckinpahs „The Wild Bunch“ – dessen wichtigstes Filmzitat nicht ganz so berühmt wie das aus „Casablanca“ ist, aber auf Deutsch wirklich nicht gut klingt: „If they move – kill ’em!“

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