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5,8 Millionen Euro aus dem Bundesfinanzausgleich flossen 2012 nach Berlin - Bayern und Hessen klagen dagegen.

© dpa

Klage gegen Länderfinanzausgleich: Wie Berlin auf Kosten der anderen lebt

Vom Länderfinanzausgleich profitiert vor allem Berlin. Die Hauptstadt muss fehlende Wirtschaftskraft ausgleichen – auf Kosten der Länder und des Bundes.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich, die Bayern und Hessen eingereicht haben, zielt vor allem auf Berlin. Immerhin flossen aus dieser Quelle im vergangenen Jahr 3,323 Milliarden Euro in die Landeskasse. Das heißt: Fast jeder siebte Euro, der in Berlin für öffentliche Zwecke ausgegeben wird, kommt aus den reichen Südländern, die für den Finanzausgleich einzahlen. Das Geld ist nicht zweckbestimmt, sondern fließt in den großen Topf der staatlichen Einnahmen, den Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) verwaltet.

Nußbaum findet das richtig und notwendig. „Dieses System gleicht Unterschiede in der Wirtschaftskraft zwischen den Bundesländern aus.“ Und Berlin leidet nun mal, nicht zuletzt aus historischen Gründen, unter einer chronischen Finanz- und Wirtschaftsschwäche und hat auf diesem Gebiet einen enormen Aufholbedarf. Ob und wann die deutsche Hauptstadt es schafft, auf das Spitzenniveau des Vorbilds Hamburg aufzuschließen, weiß niemand. Die Steuerkraft des Stadtstaats Hamburg liegt um 50 Prozent über dem Länderdurchschnitt. Berlin liegt im bundesweiten Vergleich 15 Prozent unter dem Durchschnitt, das reicht nur für den zehnten Platz, vor den ostdeutschen Ländern und dem Saarland.

Um trotzdem über die Runden zu kommen, nehmen Berlin und die anderen elf Nehmerländer in Anspruch, was das Grundgesetz in Artikel 72 die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ nennt. In einem mehrstufigen, rechnerisch komplizierten Verfahren wird die Finanzkraft der Länder an den Bundesdurchschnitt weitgehend angeglichen. Zuerst wird die Umsatzsteuer zugunsten der schwachen Länder umverteilt. Davon profitiert Berlin kaum. Dann erfolgt der „Länderfinanzausgleich im eigentlichen Sinn“, der für die arme Hauptstadt den größten Batzen ausmacht: 2012 waren es, wie schon gesagt, 3,323 Milliarden Euro.

Diesem horizontalen Ausgleich folgt der vertikale Finanzausgleich, für den sich Bayern und Hessen herzlich wenig interessieren. Denn dieses Geld wird aus der Bundeskasse überwiesen und nennt sich „allgemeine Bundesergänzungszuweisung“. Aus diesem Topf bekam Berlin im vergangenen Jahr 1,048 Milliarden Euro. Aber das ist noch nicht alles. Bis 2020 profitieren die ostdeutschen Länder einschließlich Berlin noch von den Zahlungen des Bundes „zur Deckung teilungsbedingter Sonderlasten“. Diese Gelder sind der Kern des Solidarpakts für Ostdeutschland, der allerdings bis zum Ende des Jahrzehnts schrittweise auf null gefahren wird.

2012 erhielt Berlin aus dieser Quelle noch 1,381 Milliarden Euro. Als Sahnehäubchen obendrauf gibt es dann noch 43 Millionen Euro jährlich für „überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung“. Ein Zuschlag für kleine Länder, die im Vergleich zu großen Flächenländern einen relativ höheren Aufwand  für Regierung und Verwaltung betreiben müssen. Alles in allem flossen im vergangenen Jahr 5,795 Milliarden Euro aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich nach Berlin. Das waren immerhin 30 Prozent des gesamten Finanzvolumens, das zwischen Bund und Ländern umverteilt wurde.

Es wundert also nicht, dass die Republik kritisch auf Berlin schaut, wenn dieses Thema zur Sprache kommt. Man kann die Dinge aber auch von einer anderen Warte sehen, die ein weniger dramatisches Bild zeigt: Bund, Länder und Gemeinden haben im Haushaltsjahr 2012 insgesamt 602,4 Milliarden Euro Steuern eingenommen. Nur drei Prozent dieser gigantischen Summe wurden im Rahmen des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern umverteilt. Knapp ein Prozent zugunsten Berlins.

Schönreden darf sich der Senat das Problem dennoch nicht, auch wenn die Klage Bayerns und Hessens nur Zündstoff für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf 2013 sein sollte. Denn der Finanzausgleich wird trotz aller Bemühungen, Berlin wirtschaftlich voranzubringen, auf lange Sicht eine unverzichtbare Geldquelle bleiben. Seitdem das Land, das gleichzeitig Hauptstadt ist, 1995 in den Länderfinanzausgleich aufgenommen wurde, fließen jährlich zwischen vier und sechs Milliarden in die Landeskasse. Ohne diese Mittel könnten nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebenen staatlichen Leistungen erledigt werden. Oder die öffentlich Bediensteten müssten auf ihre Gehälter verzichten.

Solche Horror-Szenarien haben wenig mit der „ausgewogenen Neugestaltung“ des Finanzausgleichs zu tun, die mit der Verfassungsklage gegen den Finanzausgleich angestrebt wird. Es ist wohl auch nicht damit zu rechnen, dass die Karlsruher Richter dem Land Berlin den Boden unter den Füßen wegziehen werden. Spannender wird sein, wie die Reform des Länderfinanzausgleichs, der 2020 ausläuft, aussehen wird, und wer Berlin in diesem Prozess unterstützt.

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