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Kommentar: Wer zu spät kommt

Zum wahrscheinlich letzten Mal bestand am Wochenende die Möglichkeit, mit Überlebenden der Schreckenslager Ravensbrück und Sachsenhausen aus aller Welt ins Gespräch zu kommen. Beim nächsten runden Jubiläum der Befreiung in fünf Jahren dürften die Frauen und Männer schon weit jenseits der 90 sein.

Schon jetzt war es erstaunlich, mit welcher Kraft sich die Frauen und Männer trotz körperlicher Gebrechen und der schweren Erinnerung an die Schrecken auf den Weg zu den Gedenkfeiern gemacht hatten. Voller Dankbarkeit registrierten die ehemaligen Häftlinge die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit durch neugierige Jugendgruppen oder spontane Besucher.

Dennoch bleibt nach der Abreise der Delegationen ein bedrückendes Gefühl zurück. Denn trotz der hervorragenden Betreuung hielten die Gruppen der ehemaligen Häftlinge nicht mit offener Kritik am Zustand der Gedenkstätten zurück. Sie würdigten durchaus die millionenschweren Leistungen der Gedenkstättenstiftung in den zurückliegenden 20 Jahren, aber äußerten auch Enttäuschung. Schilder, die vor einer Einsturzgefahr von Mauern auf dem Lagergelände in Sachsenhausen warnen, oder die noch immer fehlende große Ausstellung in Ravensbrück sind nicht nur den Überlebenden schwer zu vermitteln. Hier sind offenbar Prioritäten bei der Mittelvergabe durch Bund und Land falsch gesetzt worden.

Den Worten der Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Komitees ist kaum etwas zuzufügen. Es sei wichtig, sagte Annette Chalut, die Erinnerung an die Orte des Leidens zu bewahren, um gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und gegen Verbrechen wider die Menschlichkeit Zeugnis abzulegen. Die Nachkommen aller Nationen müssten darüber wachen. Schwer wiegen die Worte der Überlebenden, als sie am späten Sonntagabend nach Hause fuhren. Sie würden die Relikte und die Spuren derer, die nicht überlebt haben, den nachfolgenden Generationen anvertrauen. Besser kann man es nicht sagen.

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