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Kongresshaus: Messe plant schon für die Zeit nach dem ICC

Die SPD misstraut den Plänen für das Gelände der Deutschlandhalle. Kostenschätzungen für eine Multifunktionshalle beginnen bei 46 Millionen Euro.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In der SPD gibt es Befürchtungen, dass die Messe GmbH ihre Pläne für ein neues Kongresszentrum auf dem Gelände der Deutschlandhalle auf kaltem Wege durchsetzen will. Und zwar unabhängig davon, ob das Internationale Congress Centrum (ICC) saniert wird oder nicht. „Offenbar bekommt das Kind nur einen anderen Namen“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, Frank Jahnke. Interne Kostenschätzungen für das Gebäude beginnen bei 46 Millionen Euro und enden dem Vernehmen nach bei 80 Millionen Euro. „Ein bisschen viel Geld für einen normalen Ausstellungsbau“, so Jahnke. Auch der Grünen-Haushälter Jochen Esser wundert sich über die hohen Kosten.

Der Senat hatte im Mai 2008 entschieden, das ICC für 182 Millionen Euro zu sanieren und Asbest zu beseitigen. Die von der landeseigenen Messegesellschaft, der IHK und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) favorisierte Alternative eines neuen Kongresszentrums wurde abgelehnt. Seitdem war nur noch die Rede von einer Erweiterungshalle, die nach dem Abriss der Deutschlandhalle gebaut werden sollte, um die chronischen Platzprobleme der expandierenden Messe zu beheben. Jetzt sieht es aber so aus, als wolle die Messe GmbH ein Gebäude in den Dimensionen des ursprünglich geplanten – vom Senat jedoch abgelehnten – Kongresszentrums bauen.

Der Sprecher der Messegesellschaft, Wolfgang Wagner, bestätigte am Freitag, dass auf dem Grundstück der Messegesellschaft ein „multifunktionales Gebäude“ mit 7500 bis 10 000 Plätzen für Messe- und Kongressbesucher entstehen soll. Mit einer vermietbaren Ausstellungsfläche von 8800 Quadratmetern. Wagner verwies auch auf frühere Gutachten über die Kosten eines Kongressbaus „in der Größenordnung bis 70 Millionen Euro“. Die „Multifunktionshalle“ soll nach den Vorstellungen der Messe Ende 2012 fertiggestellt sein. Wirtschaftssenator Wolf betont ausdrücklich: „Es geht hier nicht um einen Ersatz für das Internationale Congress Centrum.“ Das neue Gebäude werde benötigt, um „die Nachfrage ans ICC während der Sanierungsphase abzufedern“.

Wolf glaubt der Messe-Geschäftsführung, die die Baukosten auf 46 Millionen Euro schätzt und diese Investition aus den zusätzlichen Standeinnahmen (jährlich 6 Millionen Euro) refinanzieren will. Der Aufsichtsrat des öffentlichen Unternehmens hat über das ehrgeizige Projekt noch nicht entschieden. Außerdem hängt der Baubeginn an der Abrissgenehmigung für die Deutschlandhalle. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf als untere Denkmalbehörde hatte den Abrissantrag der Messe abgelehnt. Jetzt läuft das Widerspruchsverfahren. In letzter Instanz entscheidet die Stadtentwicklungsbehörde (als Landesdenkmalamt).

Damit hat die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ein Faustpfand in der Hand, falls ihr und den Sozialdemokraten das üppige neue Messegebäude nicht passt. Offiziell wird das natürlich nicht bestätigt. Vorerst muss sich Junge-Reyer aber der harten Kritik aus den eigenen Reihen erwehren, weil ihre Behörde die Kosten für die ICC-Sanierung nicht in den Griff bekommt. Der SPD-Bauexperte Michael Arndt hält es sogar für möglich, dass bis zu 400 Millionen Euro dafür ausgegeben werden müssen. Diese Summe käme dann schon an die Neubaukosten von einer Milliarde D-Mark heran, die in den siebziger Jahren für das ICC gezahlt wurde. „So oder so, wir müssen schnell über das ICC entscheiden“, fordert Arndt. „Mit diesem Thema kann die SPD nicht in den Abgeordnetenhauswahlkampf 2011 gehen.“

Im Mai 2008 hatte der Senat die Ausgaben für Sanierung und technische Modernisierung auf 176 Millionen Euro geschätzt. Zuzüglich 6 Millionen Euro für die Asbestbeseitigung am Dach. Inzwischen wurden auch in den Räumen jede Menge Asbest und andere verbaute Schadstoffe gefunden, deren Beseitigung mindestens 60 Millionen Euro kosten wird. Bisher gibt es noch für keinen Ausgabeposten belastbare Schätzungen. Denn eine detaillierte Bedarfsplanung und prüfbare Bauplanungsunterlagen werden erst zum Jahresende vorliegen.

Die Messe GmbH spricht sich von aller Schuld frei. „Unser Raumprogramm auf Grundlage von Gutachten Roland Bergers und drei Ingenieurbüros liegt seit langem vor“, sagt Sprecher Wagner. Derzeit werde das Nutzungskonzept von der Stadtentwicklungsbehörde verarbeitet. Eine brauchbare Kostenschätzung wird wohl erst im Frühjahr 2010 vorliegen. Der SPD-Haushälter Stefan Zackenfels stöhnt: „Unsere Verwaltung ist keine gute Quelle für verlässliche Zahlen.“

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