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Berlin: Krankenkassen decken Millionen-Betrügereien auf

Nach den Erkenntnissen der Ermittler sind alle Bereiche des Gesundheitswesens von solchen Praktiken betroffen.

Berlin - Die gesetzlichen Krankenkassen steigern ihre Erfolgsbilanz im Kampf gegen falsche oder betrügerische Abrechnungen für medizinische Leistungen. Von den Berliner Krankenhäusern holte sich die Techniker-Krankenkasse (TK) im vorigen Jahr fast neun Millionen Euro zurück. 2009 lag diese Summe noch bei rund sechs Millionen Euro. „Wir sind pfiffiger geworden bei den Ermittlungen“, sagt TK-Sprecherin Heike Weinert.

Die AOK Nordost, dazu gehören auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, verfolgt im laufenden Jahr 381 Fälle von Abrechnungsbetrug. Der Schaden beläuft sich auf rund 1,4 Millionen Euro.

Die meisten Falschabrechnungen werden bei der TK durch eine computergestützte Plausibilitätskontrolle ermittelt. Ergeben sich bei der maschinellen Prüfung weitere Verdachtsmomente, schaltet sich ein 15-köpfiges Ermittlerteam ein, das in der TK-Zentrale in Hamburg sitzt. Die Ermittler, angeführt von einem Ex-Polizisten, gehen auch konkreten Hinweisen von Versicherten oder Angehörigen nach.

Abrechnungsbetrug gebe es in allen Bereichen des Gesundheitswesens, bei Hebammen, in Apotheken oder bei niedergelassenen Ärzten, sagte Weinert. Hebammen fallen nach TK-Angaben des Öfteren durch hohe Kilometerabrechnungen auf. Sie besuchen mehrere Schwangere auf einer Tour, rechnen aber so ab, als hätten sie jede Klientin direkt angefahren.

Zuletzt gerieten in Berlin die ambulanten Pflegedienste in den Fokus der Ermittler. Die zuständigen Stadträte von Mitte und Neukölln sprachen von „mafiösen Strukturen“, besonders bei türkischen und russischen Pflegediensten. Es seien Leistungen für Patienten abgerechnet worden, die gar nicht in Deutschland lebten. Pflegekräfte berichteten von Kungeleien mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), der für die Pflegestufen verantwortlich ist. In Neukölln wurden vier Pflegedienste angezeigt.

Der MDK will sich zurzeit nicht zu den Vorwürfen äußern. „Die interne Untersuchung dauert noch an“, sagte dessen Sprecher Hendrik Haselmann. Wegen des Korruptionsverdachts sei eine Mitarbeiterin mit der „Korruptionsprävention“ betraut worden. Sie soll relevanten Hinweisen nachgehen. Bisher seien aber nur die üblichen Beschwerden eingegangen, sagte Haselmann.

Weil in Mitte und Neukölln viele Pflegeleistungen vom Sozialamt finanziert werden, haben die Bezirke ein starkes Interesse, den Fällen nachzugehen. Ex-Bezirksstadtrat Michael Büge (CDU) aus Neukölln will jetzt auf Senatsebene Druck machen, die Kontrollmöglichkeiten der Bezirke zu verbessern. Büge soll Staatssekretär für Soziales werden.

In der Senatsverwaltung für Gesundheit tagt bereits ein runder Tisch zu diesem Thema. „Wir sind dabei, gemeinsame Standards festzulegen, welche Vorgänge strafrechtlich relevant sind“, sagte Regina Kneiding, Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. In der Staatsanwaltschaft gebe es Bestrebungen, einen Schwerpunkt zu diesem Thema zu bilden.

In Berlin sind etwa 500 ambulante Pflegedienste gemeldet. Sie versorgen rund 15 000 Menschen.

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