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Berlin: Kreuzberger Lesershow

Am Sonnabend wird rund um die Oranienstraße die 13. Lange Buchnacht veranstaltet. Sie beginnt mittags

Wenn auf der Oranienstraße plötzlich kosmonautische Wesen, neapolitanische Märchengestalten, die Frau in der Streichholzschachtel und der Kackofant auftauchen, liegt das entweder an einem besonders fantasievollen Traum oder es ist mal wieder die Lesezeit ausgebrochen in Kreuzberg. Am morgigen Sonnabend jedenfalls stimmt das Zweite, denn dann startet an rund 50 Orten und mit über 100 kostenlosen Veranstaltungen die 13. Lange Buchnacht in der Oranienstraße.

„Eigentlich müsste es ,Buchtag’ heißen, denn wir beginnen mittlerweile schon um 12 Uhr“, sagt Stefanie Hetze, Inhaberin der Buchhandlung Dante Connection und Mitbegründerin der Langen Buchnacht. Sie ist stolz darauf, dass sich aus einem kleinen Event mit einer Handvoll Teilnehmer an einem Samstagabend im November 1997 inzwischen eine Veranstaltung mit bis zu 15 000 Besuchern entwickelt hat. „In diesem Jahr haben wir uns um ein besonders spannendes Kinder- und Jugendprogramm bemüht“, sagt Hetze.

Zu den prominenten Autorennamen für kleine Bücherwürmer zählen die dreifache Preisträgerin des Deutschen Jugendliteraturpreises Rotraut Susanne Berner mit ihren Wimmelbüchern sowie Zeichner FIL und Autor Klaus Cäsar Zehrer, Schöpfer des Bilderbuchhelden Kackofant. Jugendliche können sich unter anderem auf Lesungen von „Ruf der Tiefe“-Autorin Katja Brandis und den britischen Autor Melvin Burgess freuen, der aus England anreist und im Wirtshaus Max & Moritz aus seinem Roman „Nicholas Dane“ über Missbrauchsverhältnisse in einem Kinderheim lesen wird.

Für die erwachsenen Literaturfreunde schlagen unter anderem der in Deutschland lebende irakische Autor und Adelbert-von-Chamisso-Förderpreisträger Abbas Khider und der rumänischstämmige, in Zürich lebende Catalin Dorian Florescu die Seiten ihrer Bücher „Die Orangen des Präsidenten“ und „Jacob beschließt zu lieben“ auf. Außerdem liest Tanja Dückers aus ihrem Roman „Hausers Zimmer“ über eine Jugend in West-Berlin und Kathrin Aehnlich erzählt in „Rom – New York – Markkleeberg“ vom Unterwegssein.

Erstmals finden einige Veranstaltungen draußen statt. Dazu gehören fünf Lesungen unter dem Titel „Der deutsche Simpel guckt in die Welt“. Fünf Bühnenkünstler werden dabei zwischen 1905 und 1918 entstandene Texte aus der satirischen Wochenzeitschrift „Simplicissimus“ über Ausländer und Fremde vortragen. Und bei der „Buchnacht unterwegs“ werden die Texte von Johannes Dirschauer von Gambenklängen und Pantomimespiel begleitet. Überhaupt steht die Literatur als Kunstform nicht alleine, auch wenn auf ihr das Schwergewicht liegt. Es gibt mehrere Veranstaltungen, zu denen Tanz gezeigt und auch getanzt werden darf – besonders der Tango geht mit der Literatur bei der Buchnacht eine enge Verbindung ein. Außerdem lockt im Kreuzberg Museum ein Ritter-Theater für die Jüngsten, im Schnapphahn wird eine Ausstellung zur Geschichte des Kabaretts gezeigt und an mehreren Orten gibt es Musik wie Jazz, Rock, Trash-Electropunk und Sets von türkischen DJs. Alle Veranstaltungsorte wie Buchhandlungen, Bibliotheken, Bars, Cafés, die erstmals teilnehmende Hunsrück-Grundschule, das Bethanien und das FSK Kino bestimmen ihren Programmbeitrag selbst und kommen aus dem unmittelbaren Umfeld der Oranienstraße. „Der lokale Bezug ist uns noch immer sehr wichtig“, sagt Hetze. So musste sie in der Vergangenheit schon viele auswärtige Bewerbungen um die Teilnahme an der beliebten Veranstaltung ablehnen.

Eine weitere Besonderheit der diesjährigen Buchnacht ist „die größte Autorenlesung der Welt“: Im „Werkbundarchiv – Museum der Dinge“ lesen über 100 Co-Autoren zwölf Stunden lang ihre Texte aus dem 3000 Seiten starken „Lesikon der visuellen Kommunikation“ der Grafikerin Juli Gudehus. Wer nach diesem Literatur-Marathon noch nicht genug Stoff für neue Träume gefunden hat, kann im SO36 vorbeischauen. Bei der Buchnacht-Party mit Sixties, Garage und Rock’n’Roll gehen auch weit nach Mitternacht noch lange nicht die Lichter aus.

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