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Berlin: Kritik an Senatorin Schöttler: "Staatssekretäre kann man sich nicht backen"

Die Affäre um die Flucht des offenbar fälschlich in der Psychiatrie untergebrachten und seit einer Woche flüchtigen Straftäters Igor Pikus wirft ein Schlaglicht auf die Verwaltung der zuständigen Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD). Die Querelen um die Krankenhausreform haben lange Zeit den Blick abgelenkt von dem mühseligen Umstrukturierungsprozess in Schöttlers Ressort, der sich seit über einem Jahr - dem Beginn der Legislaturperiode - hinzieht.

Die Affäre um die Flucht des offenbar fälschlich in der Psychiatrie untergebrachten und seit einer Woche flüchtigen Straftäters Igor Pikus wirft ein Schlaglicht auf die Verwaltung der zuständigen Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD). Die Querelen um die Krankenhausreform haben lange Zeit den Blick abgelenkt von dem mühseligen Umstrukturierungsprozess in Schöttlers Ressort, der sich seit über einem Jahr - dem Beginn der Legislaturperiode - hinzieht.

Damals mussten zwei Ressorts zusammengelegt werden: die Gesundheits- und Sozialverwaltung mit der Verwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen. Schöttler hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie lieber ihr kleines überschaubares Ressort Arbeit und Frauen behalten hätte. Hier konnte man wenig falsch machen, weil es vor allem darum ging, Gelder aus öffentlichen Töpfen zugunsten der Arbeitsförderung umzuverteilen.

Schon Schöttlers Vorgängerin Christine Bergmann (SPD), ebenfalls eine Erfüllerin der Doppelquote "Ost-Frau", profitierte von der Harmlosigkeit dieses Ressorts: Es gab so wenig Möglichkeiten, negativ aufzufallen, dass sie es letztlich sogar in das Bundeskabinett von Gerhard Schröder schaffte.

Schöttlers Einstieg in das neue Amt bestand darin, am ersten Tag nach der Vereidigung gar nicht erst im Gesundheits- und Sozialressort aufzutauchen: Die Abteilungsleiter warteten vergeblich. Sodann strich sie ausgerechnet den wichtigen Gesundheitsbereich aus der Ressort-Bezeichnung. Seither nennt sich die Verwaltung "Arbeit, Soziales und Frauen". Sie hoffte dann, sich den schwierigen Gesundheitsbereich dadurch vom Halse zu schaffen, dass sie ihn dem neuen Staatssekretär Klaus Theo Schröder (SPD) überließ. Der hatte allerdings nichts Besseres zu tun, als sich schon nach wenigen Monaten nach einem neuen Job umzusehen. Anstatt ihn dann schnellstens von seinen Aufgaben zu entbinden, hielt sie ihn aber im Amt - wohl aus Angst, allein nicht die Umstrukturierung ihres Ressorts und die Krankenhausreform durchziehen zu können.

Viel zu spät begann dann die Suche nach einem neuen Mann, so dass die Staatssekretärs-Stelle seit dem 12. Dezember verwaist ist. Nachfolger Friedrich-Wilhelm Dopatka (SPD) wird sein Amt erst im Februar antreten.

Zu allem Überfluss drängte Schröder im vergangenen Sommer auch noch den angesehenen Abteilungsleiter Peter Bank aus dem Amt, der sich frustriert in den vorzeitigen Ruhestand versetzen ließ. Der bündnisgrüne Gesundheitspolitiker Bernd Köppl merkte damals an, die "erzwungene Ruhestandssetzung" des anerkannten Fachmanns sei "völlig inakzeptabel". Der SPD-Mann habe immerhin sogar die "chaotische Zeit" unter dem CDU-Gespann Hübner/Orwat überlebt. Die Ärztezeitung schrieb im Oktober, Bank habe seine ursprüngliche Bewerbung für die neue Abteilung Gesundheit "mangels Rückendeckung durch Schöttler/Schröder" zurückgezogen.

Bank gehört in eine lange Reihe von immerhin 35 Fällen von "einstweiligem Ruhestand" seit 1996. Damals forderte bereits die Zusammenlegung der Ressorts Gesundheit und Soziales ihren Tribut. Schröder rechnete in einer Antwort auf Köppls Anfrage im August vor, dass allein im Jahr 2000 knapp drei Millionen Mark für diese "Versorgungsfälle" gezahlt werden mussten.

Schöttlers Sprecher Klaus-Peter Florian beteuert, das Ressort sei zu jeder Zeit "arbeitsfähig" gewesen. Die Umstrukturierung sei demnächst abgeschlossen. Auch den Vorwurf, dass die Besetzung des Staatssekretärsposten zu lange gedauert habe, will er nicht gelten lassen, denn "Staatssekretäre kann man sich nicht backen", stellt Florian fest.

Auch im Fall "Pikus" bleibt er dabei, dass sein Haus keine Schuld treffe. Zwar sei der zuständige Abteilungsleiter im Ruhestand. Es gebe jedoch eine "amtierende Abteilungsleiterin" und einen Referenten für den Maßregelvollzug. Im Übrigen habe man als Konsequenz aus dem Entweichen von Pikus nicht nur vor Ort die Sicherungsmaßnahmen verstärkt, sondern auch "die Sensibilität der Mitarbeiter für diesen Bereich geschärft".

CDU und Bündnisgrünen reicht das nicht. Bernd Köppl diagnostiziert in Schöttlers Haus "Chaos und eine demoralisierte Verwaltung". "Man weiß nicht mehr, wer wofür zuständig ist", meint auch der Abgeordnete und gesundheitspolitische CDU-Sprecher Ullrich Meier. Er äußert süffisant die Hoffnung, dass sich die Senatorin selbst noch im Hause zurechtfindet. Für Meier ist seit der Wahl genug Zeit vergangen, um das Ressort neu zu ordnen.

Der anhaltende Wirrwarr habe sich offenbar auch negativ auf die Behandlung des "Falles Pikus" ausgewirkt. Die Senatorin habe zu spät reagiert, sagt Meier. Aufgefallen war vor allem die späte Informierung der Öffentlichkeit über die Flucht des polizeiintern als gefährlich eingestuften Mannes. "Weitere derartige Pannen kann sie sich nicht leisten", so Köppls und Meiers Einschätzung der Senatorin.

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