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Kulinarische Stadtführungen: Berlin geht durch den Magen

„Eat the World“: Kulinarische Stadtführungen bieten internationale Kostproben und Kiezgeschichten in Friedrichshain und Neukölln.

Beim Start am Frankfurter Tor überreicht Elke Freimuth jedem erst mal eine weiße Serviette. „Die können Sie in den nächsten Stunden gut gebrauchen“, sagt die Gründerin von „Eat the World“, und die fünfzehn Teilnehmer der kulinarischen Stadtführung durch Friedrichshain lachen dankbar für den kleinen Scherz. Noch sind sie sich alle fremd an diesem Samstagvormittag, die Paare aus Wien und dem Ruhrgebiet, die 26 bis 60 Jahre alten Teilnehmer aus Tegel, Königs Wusterhausen, Bukarest, Kiel und Stuttgart.

Doch das ändert sich bald. In den folgenden vier Stunden kehren sie in sieben Restaurants, Cafés und Feinkostläden zu kleinen Kostproben ein, werden dort meist von den Inhabern mit kleinen spannenden Geschichten bewirtet, und bereits nach den ersten Stationen durchmischt sich die Gruppe. Man kommt im „PriMaria“ bei bulgarischen „Kartofki“ mit Knoblauch und Schafkäse, im „Proviant“ bei Brot mit Löwenzahnpesto und im „Schmitzberger“ bei österreichischem Gugelhupf ins Gespräch und tauscht Reiseerlebnisse und Erfahrungen mit der Kreuzberg-Tour aus, die Freimuth ebenfalls anbietet. „Auch dort wird einem über das Kulinarische hinaus viel Insiderwissen vermittelt. Das ist selbst für mich als Berlinerin toll“, sagt Christine Böhmer, die früher in Prenzlauer Berg gelebt hat und heute bei Königs Wusterhausen wohnt.

Tatsächlich weiß Stadtführerin Freimuth viel zu erzählen, nicht nur über Historisches wie über die Butter-Krawalle der Arbeiterfrauen 1915 auf dem Boxhagener Platz oder das Nationale Aufbauprogramm für die ehemalige Stalinallee von 1952. An vielen Orten wie dem Kiezkino „Intimes“ bleibt die blonde 33-Jährige stehen und gibt den Teilnehmern Tipps für die weitere Wochenendgestaltung oder berichtet über aktuelle Entwicklungen und Probleme in Friedrichshain. Sie verweist auf den hohen Leerstand in den Geschäften an der Frankfurter Allee, erzählt vom nächtlichen Lärmpegel auf der Kneipenmeile Simon-Dach-Straße und führt ihre Gäste in einen Hinterhof mit Luxuslofts. Dabei verzichtet Freimuth auf das übliche peinliche Hütchen oder Fähnchen, es reichen ihr Augenkontakt und kurzes Winken, um die Gruppe zusammenzuhalten.

So bekommen die nicht sofort als Touristen zu erkennenden Teilnehmer das Kiezleben womöglich unmittelbarer mit: Sie sehen junge Leute, die einen Umzugswagen beladen und welche, die gegen das Projekt Mediaspree protestieren. Oder sie werden auch schon mal von Passanten mit „Mach mal Platz da!“ angemotzt, was den meisten ein amüsiertes „Jaja, eben typisch Berlin“ entlockt. Freimuth lächelt zu solchen Begegnungen. Ihr ist es vor allem wichtig, mit ihren Touren kleine, inhabergeführte Betriebe zu unterstützen, was am Anfang ihrer Firmengründung vor zwei Jahren monatelange Undercover-Recherchen erforderte – auch um stets Sonderwünsche wie vegetarisches oder veganes Essen erfüllen zu können. Sie selbst ist immer gern gereist und hat in Paris, Kuala Lumpur und New York gelebt, wo sie das Konzept der „Food Tour“ kennenlernt. „Für mich war das Essen immer der wichtigste und interessanteste Weg, um mit einer fremden Stadt in Berührung zu kommen“, sagt die Neuköllnerin. Als sie vor einigen Jahren ihr Lehramtsstudium für Französisch und Sport beendet, schlägt sie die Verbeamtung aus und macht sich selbstständig. Bereut habe sie es nie, sagt sie, auch wenn sie seitdem selbst keine Zeit mehr habe, in Urlaub zu fahren. Mittlerweile läuft ihr Geschäft so gut, dass Freimuth Anfang des Jahres mehrere Mitarbeiter eingestellt hat. Auch in Hamburg und München bietet sie seit 2009 Touren an und denkt über ein Franchise-Konzept sowie eine weitere Tour in Berlin an. Wo, weiß sie zurzeit noch nicht. „Da in Berlin jeder Kiez anders schmeckt, ist die Auswahl riesig“, sagt sie. Ideen habe sie jedenfalls genug.

Informationen und Anmeldung unter www.eat-the-world.com und Tel. 53 06 61 65

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