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Ein Stück Heimat. Petra Namyslo ist nach eigener Aussage „Lindenstraße“-Fan der ersten Stunde.

© Sven Darmer

Kult-Serie: Berlinerin geht für Rettung der „Lindenstraße“ auf die Straße

Die „Lindenstraße“ soll abgesetzt werden. Eine Gruppe von Fans will das Ende der Kultserie verhindern – und dafür am Sonnabend demonstrieren.

Am Sonnabend werden in Mitte wohl zahlreiche Schilder in die „Lindenstraße“ führen – die Initiative „Lasst die Lindenstraße leben!“ will sich für den Erhalt der ARD-Serie einsetzen. An einer ähnlichen Kundgebung in Köln, wo die Serie produziert wird, hatten in diesem Frühjahr nach Angaben der Organisatoren bereits rund 300 Menschen teilgenommen.

Seit 1985 läuft die „Lindenstraße“ verlässlich sonntagabends in der ARD. Sie gilt als erste deutsche Seifenoper, viele bekannte Persönlichkeiten wirkten bei ihrer Produktion mit. Til Schweiger zum Beispiel startete seine Schauspielkarriere in der „Lindenstraße“ und der 2010 verstorbene Aktionskünstler und ehemalige Volksbühnenintendant Christoph Schlingensief war von 1986 bis 1987 ihr Aufnahmeleiter.

Doch nach 34 Jahren Laufzeit seien die Kosten zu hoch geworden, die Einschaltquoten zu niedrig, teilte die ARD im November 2018 mit. Sie werde den Produktionsvertrag deshalb nicht verlängern. So soll die letzte von insgesamt 1758 Folgen der Kultserie am 29. März 2020 im Fernsehen laufen – doch die Fangemeinde hofft, das Ende noch verhindern zu können.

Petra Namyslo ist „Zuschauerin der ersten Stunde“. Nachdem das Serien-Aus verkündet wurde, hatte sie sich auf Facebook mit anderen Fans zusammengeschlossen und organisiert nun den Protest.

„Wir werden ignoriert“, sagt die 64-Jährige, die in Prenzlauer Berg wohnt. Die Serie habe immer noch regelmäßig rund zwei Millionen Zuschauer, die sich alleine gelassen fühlten von den Verantwortlichen bei der ARD.

Die„Lindenstraße“ spielt mit Tabus

„Die ‚Lindenstraße‘ hat ein Alleinstellungsmerkmal. Sie hat eine Botschaft, andere Serien sind reine Unterhaltung“, sagt Namyslo. Die Serie thematisierte beispielsweise Behinderungen und AIDS-Erkrankungen, häusliche Gewalt und zuletzt Pädophilie. Es habe kein Tabuthema gegeben, „das nicht auf den Tisch kam“, heißt es im Flyer zur Demonstration: „Und immer sorgten diese Themen für Zündstoff in Diskussionen.“

Auch die Randgruppen der Gesellschaft fänden ihren Weg in die Serie, das sei in der Unterhaltungsbranche sonst unüblich, meint Namyslo. Als zweite deutsche Serie zeigte sie bereits 1987 einen gleichgeschlechtlichen Kuss – eine Darstellung, die in vielen Mainstream-Produktionen selbst heute noch eher selten zu finden ist.

Deshalb werde der Protest gegen die Absetzung zum Beispiel auch von der queeren Szene unterstützt. Die „Lindenstraße“ gebe den Menschen nun mal das Gefühl von Geborgenheit und Verstandenwerden, sagt Namyslo.

„Ein Stück Heimat“

Die gebürtige Bayerin erzählt, wie ihr die Serie, die in München spielt, „ein Stück Heimat“ gewesen sei, als sie nach dem Studium nach Berlin kam und hier niemanden kannte. Mittlerweile habe sie sich eine feste „Lindenstraßen“-Fangemeinde in der Stadt aufgebaut, mit der sie sich regelmäßig zum Stammtisch treffe – circa alle sechs Wochen im „Terzo Mondo“, einem griechischen Künstlerlokal am Savignyplatz.

Der Schauspieler Kostas Papanastasiou war in der Serie der Wirt des „Akropolis“. Im echten Leben ist er der Eigentümer des Restaurants, in dem der Lindenstraßen-Stammtisch stattfindet.

© Jens Kalaene

Eigentümer ist der mittlerweile 82-jährige Schauspieler Kostas Papanastasiou, der früher in der „Lindenstraße“ den Wirt des „Akropolis“, Panaiotis Sarikakis, spielte. Der nächste Stammtisch im „Terzo Mondo“ findet am heutigen Freitagabend ab 19 Uhr statt.

Die Initiative „Lasst die Lindenstraße leben!“ ging aus einer von mehreren Facebook-Fangruppen hervor, die immerhin mehr als 1000 Mitglieder zählt. „Das sind aber nicht alles alte Leute“, sagt Namyslo. Eine Umfrage in der Gruppe habe ergeben, dass die meisten Mitglieder zwischen 40 und 60 Jahre alt seien.

Die Argumente der ARD-Programmdirektion, die Serie sei altbacken, lässt Petra Namyslo darum nicht gelten. Gerade die jüngeren Zuschauer verfolgten die Serie online über die Mediathek oder auf Youtube, in den vom Sender bemängelten Einschaltquoten würden sie dabei nicht erfasst.

Demonstration vor dem ARD-Hauptstadtstudio

Namyslo hofft auf starke Beteiligung bei dem „Trauerzug“ am Sonnabend. Die Demonstration beginnt um 14 Uhr vor dem Hauptbahnhof, von dort aus will die Gruppe vor dem ARD-Hauptstadtstudio „in lautes Geheul ausbrechen“ und schließlich am Alexanderplatz symbolisch die erhoffte „Auferstehung“ der Serie feiern.

Das legendäre Straßenschild wird am Samstag wohl öfters in Mitte zu sehen sein.

© Mara Lukaschek

So hofft Namyslo, sollte der Vertrag nicht verlängert werden, dass es zumindest alternative Formate der „Lindenstraße“ geben wird: zum Beispiel einen Spielfilm oder ein Spin-off, das sich um das Leben einzelner Protagonisten dreht. Oder – das ist Namyslos Lieblingsidee – es könnte eine Fortsetzung der Serie auf der Theaterbühne geben, ähnlich der beliebten Berliner Bühnen-Seifenoper „Guter Wedding, schlechter Wedding“. Als Aufführungsstätte könnte sie sich das Schlossparktheater vorstellen.

Falls die „Lindenstraße“ nicht gerettet werden kann, kommt eine andere Lieblingsserie für Petra Namyslo nicht infrage, sagt sie entschlossen. Sie sei eigentlich kein „Serienmensch“. Außerdem wolle sie eines grundsätzlich klarstellen: „Falls die Lindenstraße abgesetzt wird, wird sonntags um 18.50 Uhr mein Fernseher ausgeschaltet sein.“

Jette Wiese

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