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In Berlin gedreht, in Slowenien wiedergefunden, ist Ernst Lubitschs Film "Als ich tot war" dem Slowenischen Nationaltheater eine Bühnenadaption wert.

© promo/ Peter Urhan

Kultur in Berlin: Der flotte Ernst und das Schwiegermonster

Lange war Lubitschs 1994 wiederentdeckter Film „Als ich tot war“ verschollen. Jetzt ist er als Adaption des Slowenischen Nationaltheaters zu sehen.

„Hohenzollerndamm 117“ – es kommt wohl nur selten vor, dass in Aufführungen des in Ljubljana ansässigen Slowenischen Nationaltheaters Berliner Adressen, in diesem Falle in Schmargendorf, eine Rolle spielen. Das war nicht zu vermeiden, ja geradezu zwingend, ist doch die Vorlage ihres Stückes „Als ich tot war“ ein in Berlin spielender, vor gut 100 Jahren hier auch gedrehter Film von und mit Ernst Lubitsch. Und als dessen Haupthandlungsort ist nun mal in einem Zwischentitel „Hohenzollerndamm 117“ vermerkt, heute ein schlichtes vierstöckiges Mietshaus, im Film ein Ort mit gutbürgerlichem Interieur, Zimmermädchen und Dienstboten inbegriffen.

Lubitschs 125. Geburtstag wird am 29. Januar 2017 gefeiert, während die Slowenische Botschaft am Hausvogteiplatz in Mitte in diesen Tagen ihr Kulturzentrum eröffnet – doppelter Anlass also für das zweitägige Gastspiel des Nationaltheaters im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz. Und dass als Programm ausgerechnet Lubitschs gedrehte Komödie „Als ich tot war“ gewählt wurde, ist schon deswegen naheliegend, weil der Film ohne die Hilfe slowenischer Filmwissenschaftler weiterhin verschollen wäre.

Die knapp 40-minütige Komödie war Lubitschs erster Spielfilm, bei dem er zugleich das Drehbuch schrieb. Nicht länger wollte er sich mit Lustspiel-Einaktern begnügen, sondern endlich mal „eine ernste Hauptrolle“ spielen – wie er später zugab, „ein völliger Fehlschlag, weil das Publikum nicht bereit war, mich in einer ernsten Rolle zu akzeptieren“.

Für zwei Aufführungen kommt das Werk von Lubitsch ins Kino Babylon.
Für zwei Aufführungen kommt das Werk von Lubitsch ins Kino Babylon.

© picture alliance / dpa

Lubitsch hatte den Film 1915 die Projektions-AG „Union“ (Pagu) gedreht

Eine ernste Rolle? Das ist Ansichtssache. Heute werden sein Spiel als leidenschaftlicher Schachspieler Ernst wie auch der ganze Film als überaus komödiantisch, ein wenig klamaukig gar erscheinen, mit viel Augenrollen, Grimassieren und Gestikulieren. Es beginnt als klassische Schwiegermutter-Farce: Der flotte Ernst treibt sich in Schachlokalen herum, was seiner Frau und deren Mutter gar nicht behagt. Eines Nachts sperrt ihn das Schwiegermonster sogar aus, klaut seine Klamotten, mit denen er sich im Treppenhaus notdürftig zugedeckt hat, dann verweist ihn seine Frau der Wohnung.

Was zu viel ist, ist zu viel: Er werde sich umbringen, schreibt er der Gemahlin, verlässt das Haus – und lässt es sich gutgehen, was ihn bald langweilt. Er bewirbt sich verkleidet im eigenen Haushalt als Diener, kann so die Avancen eines Verehrers seiner Frau abwehren, diese zurückgewinnen und die Schwiegermutter an die Luft setzen.

Lubitsch hatte den Film 1915 für die Projektions-AG „Union“ (Pagu) gedreht. Das war die erste deutsche Firma, die zugleich Filme produzierte, verlieh und Kinos betrieb. 1913 hatte ihr Chef Paul Davidson an der Tempelhofer Oberlandstraße – das Flughafengelände war noch ein Exerzierplatz – ein Studiogebäude errichten lassen, wo auch Lubitsch drehte. Das Areal ist noch immer Ateliergelände, heute sitzt dort die Berliner Union-Film mit ihren Studios.

Erst 1994 wurde zufällig eine Kopie des Werkes entdeckt

Aus heutiger Sicht ist „Als ich tot war“ ein harmloser, kindertauglicher Kinospaß, nicht aber in den Augen der damaligen Zensurbehörde. Für Kinder wurde er verboten, sogar der Titel musste geändert werden und lautete nun „Wo ist mein Schatz?“. Auch kommerziell war er Lubitsch zufolge kein Erfolg, eine Kopie hat es aber doch bis nach Slowenien geschafft, zum Glück. Wie viele der frühen Lubitsch-Filme galt auch seine Schwiegermutter-Posse als verschollen, konnte in der Lubitsch-Retrospektive der Berlinale 1984 nur im Begleitbuch erwähnt, nicht aber gezeigt werden.

Erst 1994 wurde eine Kopie von zwei Mitarbeitern der damals neugegründeten Slowenischen Kinemathek entdeckt – zwischen Materialien zu den Schlachten, die 1915 bis 1917 an dem slowenisch-italienischen Fluss Isonzo geschlagen wurden. Vielleicht hatte die Komödie damals der Truppenbelustigung gedient, sie wäre dann, neben dem Roman „A Farewell to Arms“ des am Isonzo eingesetzten Sanitätssoldaten Ernest Hemingway, das zweite Kulturgut, das wir ausgerechnet den blutigen Kämpfen verdanken.

Pantomime, Körpersprache, wildes Gestikulieren

Seit 2010 hat das Slowenische Nationaltheater die Lubitsch-Adaption im Programm, gastierte damit bereits auf vielen internationalen Festivals, konnte anlässlich einer Aufführung in Bogotá im Publikum sogar US-Schauspieler und Regisseur Tim Robbins begeistern. Slowenisch muss man als Zuschauer nicht können, das Stück kommt ohne Dialog aus, setzt auf Pantomime, Körpersprache, wildes Gestikulieren – und einen Pianisten. Wie im Stummfilm eben.

„Als ich tot war“, Aufführung des Slowenischen Nationaltheaters, Rosa-Luxemburg-Platz, 30. November, 19.30 Uhr und 1. Dezember, 19 Uhr. Im Januar plant das Kino eine Lubitsch-Retrospektive. Am 29. Januar, dem 125. Geburtstag des Regisseurs, wird dort der Lubitsch-Preis verliehen. Auch Lubitschs in den USA lebende Tochter Nicola wird als Gast erwartet.

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