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East Side Gallery

© ddp

Kunst: Millionen für eine neue Mauer

Die East-Side-Gallery ist verrottet und muss nun aufwendig saniert werden. Dazu ist es nötig, die Gemälde vorerst zu entfernen und anschließend neu malen zu lassen.

Der Gang der Geschichte zeigt: Die Berliner Mauer hätte nicht mehr lange gehalten – auch ohne sanfte Revolution. Was aus ihr geworden wäre, kann derzeit an der East-Side-Gallery begutachtet werden: "Untersuchungen haben ergeben, dass die Mauer komplett saniert werden muss", sagt Jörg Flähmig, Referent des Bürgermeisters von Friedrichshain-Kreuzberg. Soll heißen: Innen rostet der Stahl, außen kratzen Abgase, Wind und Regen an dem längsten erhaltenen Stück der Berliner Mauer. Die einst bunten Gemälde sind seit langem verwittert, einige kaum noch zu erkennen.

Jetzt soll ganz weg, was von den Bildern übrig geblieben ist – vorerst zumindest. Denn um die Mauer von innen sanieren zu können, muss die Wand außen – und damit auch die Kunst – abgeschlagen werden. "Ziel ist es, noch dieses Jahr mit der Sanierung zu beginnen", sagt Flähmig. Die zunächst benötigten 1,3 Millionen Euro für den ersten, inneren Teil der Reparatur habe die Senatswirtschaftsverwaltung inzwischen bewilligt. Bislang fehle aber noch eine finanzielle Absicherung für den zweiten, künstlerischen Teil. Denn anschließend soll die East- Side-Gallery wieder von denselben Künstlern mit den alten Gemälden neu bemalt werden, wofür die Künstler noch einmal rund zwei Millionen Euro veranschlagen. Viel Aufwand für den bunten Betonwall, doch an Abriss denkt im Land Berlin niemand. "Das ist ein Denkmal", sagt Flähmig knapp.

Es waren 118 Künstler aus 24 Ländern, die im Frühjahr 1990 das ehemalige Stück Mauer zu einem Kunstwerk machten. In 106 Gemälden dokumentierten die Maler die Geschehnisse zur Wende. Dabei diente die rund 1300 Meter lange Betonwand zu DDR-Zeiten nicht als eigentliche Grenze, die an dieser Stelle die Spree bildete, sondern war als sogenannte Hinterlandmauer erbaut worden. 1991 wurde die East Side Gallery unter Denkmalschutz gestellt.

"Wir wollen so schnell wie möglich beginnen"

Als sich 1997 abzeichnete, dass von den Bildern bald kaum noch etwas zu sehen sein dürfte, bildete sich der Verein "Künstlerinitiative East-Side-Gallery". Ihr Vorsitzender ist jetzt für die Organisation der künstlerischen Sanierung zuständig. "Immer wieder hat es sich verschoben: Wir wollen so schnell wie möglich beginnen", sagt Kani Alavi, der damals das Bild "Es geschah im November" auf die Mauer malte.

Alavi sagt: Er könne auch kurzfristig die meisten Künstler zusammentrommeln – vier sind allerdings inzwischen gestorben. Ihre Bilder und die der Unabkömmlichen sollen von den angereisten Kollegen ("Nur East-Side-Künstler") kopiert werden. Allein für die Farben setzt das Bezirksamt rund 500.000 Euro an. Für alles zusammen – die Künstler einzufliegen, mehrere Wochen unterzubringen und für ihren Aufwand zu entschädigen – setzt Alavi zwei Millionen Euro an.

Die Touristen sind es der Stadt offenbar wert, schließlich gibt es kaum einen Berlin-Reiseführer, der seinen Lesern die East-Side-Gallery vorenthält. Doch in der Mühlenstraße zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke bietet sich ein trauriges Bild: Rechts rauscht der Verkehr, links steht eine bröckelnde Mauer, Baumaschinen dröhnen – anders sieht es in einem Industriegebiet auch nicht aus. Was derzeit so trist wirkt, soll aber bald eines von Berlins Vorzeige-Quartieren werden: Mit der O2-Arena, die im Herbst 2008 am Ostbahnhof eröffnet werden soll. Für die neue Multi-Funktionshalle mussten bereits 45 Meter aus der denkmalgeschützten Mauer verschwinden: Am Ufer der Spree ist eine Anlegestelle für Wassertaxis und ein Weg für Spaziergänger geplant. Die neue, alte East- Side-Gallery soll dann nicht mehr mitten im Nichts stehen, sondern – mit der unbemalten Seite – an einen Park mit Promenade und Liegewiesen angrenzen.

Die gerissene Lücke in der Gallery schmerzt Alavi noch heute – doch er will nach vorne sehen. "Hauptsache, dass die East-Side-Gallery endlich saniert wird."

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