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Amtswechsel: Sparsamer Abschied für Thilo Sarrazin

Am Donnerstag war Thilo Sarrazins letzter Arbeitstag. Klaus Wowereit erinnerte sich an manchen Schreck, den der Finanzsenator ihm einjagte. Dessen Nachfolger kündigt weitere Einsparungen an.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Eine Rechenmaschine, was sagt man dazu.“ Thilo Sarrazin war am Donnerstag sichtlich gerührt, als er im Festsaal des Roten Rathauses auf den Geschenketisch schaute, der zu seinem Abschied als Finanzsenator aufgebaut war. Neben einigen Krimis und dem Standardwerk von Charles Darwin über die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese stand dort das kleine, schwarze Stahlgehirn. Eine Brunsviga aus den zwanziger Jahren, damals ein weltberühmtes Produkt der Braunschweiger Firma Grimme, Natalis & Co. Als kleiner Dank des Senats für sieben Jahre harte Arbeit für Berlin, aus dem Technikmuseum, aber nur als Leihgabe. Sarrazin musste gleich einen Leihvertrag unterschreiben und einen Euro Gebühr an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zahlen.

Frau Sarrazin bekam Blumen, „denn Sie haben vieles mitmachen müssen“, sagte Wowereit, der Sarrazin zuvor die Entlassungsurkunde überreicht hatte. Der große Saal war voll. Senatsmitglieder, Vertreter der Abgeordnetenhausfraktionen, der Berliner Wirtschaft und leitende Mitarbeiter der Finanzverwaltung und der Senatskanzlei waren gekommen, auch einige Vorgänger Sarrazins. Zum Beispiel Annette Fugmann-Heesing und Klaus Riebschläger.

Bei Sarrazin fühlte sich Wowereit oft an die Streiche von Max und Moritz erinnert

Wowereit lobte in seiner Dankesrede den künftigen Bundesbanker, der eine „stolze Bilanz“ vorweisen könne. Und er erinnerte an „manche Schrecksekunde, wenn man morgens die Zeitung aufschlug und Thilo Sarrazin mal wieder die ganze Republik in Aufruhr brachte“. Manchmal habe er sich gefragt, verriet Wowereit: „Was macht man mit einem Senator, der nur bedingt lernwillig ist?“ Er habe ihm mehrfach gedroht, aber das habe nur wenig genutzt und anschließend habe Sarrazin schon wieder, wie Max und Moritz, die nächste Gemeinheit vorbereitet. Doch am Ende sagte der Regierungschef, und es wurde lange Beifall geklatscht: „Wir werden ihn alle vermissen und wir haben hohen Respekt vor seiner Leistung.“

Der so Geehrte blickte anschließend, mit gewohnt trocken-britischem Humor auf seine Amtszeit zurück. „Als ich im Januar 2002 gewählt wurde, habe ich mir gedacht: Mein Gott, worauf hast du dich da eingelassen?“ Aber er habe sich vorgenommen, im ersten Amtsjahr auf keinen Fall zurückzutreten. „Wenn schon, dann müssen die mich rauswerfen.“ Trotz vieler Widerstände habe er sich mit seiner harten Konsolidierungspolitik im Grundsatz unterstützt gefühlt. Die Medien seien seine größte Unterstützung gewesen. „Wie ein Lautsprecher mit 1000 Watt.“

Sarrazin bleibt Berliner Bürger, trotz des neuen Aufgabenfeldes in Frankfurt/Main als Vorstandsmitglied der Bundesbank. Gestern versprach er, ab jetzt nichts mehr zur Berliner Finanzpolitik zu sagen, „jedenfalls bis zur Abgeordnetenhauswahl 2011“. Da mussten alle lachen.

Sarrazins Nachfolger ging gleich zur Sache

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Ulrich Nußbaum bekommt seine Ernennungsurkunde von Klaus Wowereit. -

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Gleich nach diesem Abschied der Neubeginn. Der frühere Bremer Finanzsenator Ulrich Nußbaum bekam die Ernennungsurkunde, er tritt am 1. Mai die Nachfolge Sarrazins an. Die Familie Nußbaum, mit zwei schulpflichtigen Kindern, ist schon nach Berlin umgezogen und der neue Mann fühlte sich in seiner kleinen Antrittsrede geehrt. Das Angebot des so charmanten Regierenden Bürgermeister Wowereit, in der Hauptstadt Finanzsenator zu werden, habe er gar nicht ausschlagen können.

Nußbaum ging gleich zur Sache. Mit den wegbrechenden Steuereinnahmen im Zuge der Wirtschaftskrise müsse Berlin „ehrlich umgehen“. Die Stadt stehe erst am Anfang der Konsolidierungsphase und es gebe noch einige Bereiche, „wo man etwas machen muss“. Als Beispiele nannte Nußbaum den öffentlichen Dienst, dessen Wünsche nicht alle erfüllbar seien. Die Sozialleistungen könnten noch effizienter werden und auch bei den Landesunternehmen gebe es Verbesserungspotenzial.

Dennoch plädierte der neue Finanzsenator für eine „sozialverträglich veranstaltete Finanzpolitik“. Das bedeute, Solidarität aufzubringen. Gerade die wirtschaftlich Starken müssten ihren Beitrag für das Gemeinwesen leisten. „Dann spricht es sich mit mir auch leichter.“

Nach den Reden gab es noch einen kleinen Empfang. Aber nur mit Mini-Häppchen und einem kalten Getränk für jeden Gast.

Vor dem Amtseid spielte das Auto des Neuen eine Rolle

Ab 15.05 Uhr war es dann amtlich: Der neue Berliner Finanzsenator heißt Ulrich Nußbaum. Im Abgeordnetenhaus nahm ihm Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) den Amtseid ab. "Ich schwöre", sagte der neue Mann. Das war's erst mal. "Morgen geht es los, heute haben Sie noch Urlaub", verabschiedete Momper das frisch gebackene Mitglied des rot-roten Senats.

Auf der Zuschauertribüne über dem Plenarsaal hatten Ehefrau, Sohn und Tochter die kurze Zeremonie beobachten dürfen. Etwas irritiert verfolgten sie zuvor die Fragestunde mit, in der das Privatauto der Familie, ein Bentley, eine gewisse Rolle spielte. Beispielsweise wollte ein CDU-Abgeordneter wissen, ob Nußbaum schon die Umweltplakette beantragt habe. Aber die zuständige Senatorin Katrin Lompscher wimmelte ihn ab: "Das fällt in die Zuständigkeit der Bezirksämter."

Anschließend folgte der neue Finanzsenator mit Frau und Kindern dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit in den hinteren Trakt des Parlamentskasinos. Dort wurde auf das Wohl des Neulings angestoßen, der vorerst noch in Sarrazins großem Schatten steht.

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