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CDU: Pflüger lobt linke Fragen

CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger sieht Fehler beim Thema DDR und handelt sich in seiner Partei erneut Kritik ein.

Von Sabine Beikler

Das innerparteiliche Grummeln über CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger wird lauter. Erst Anfang Februar empörte Pflüger Parteifreunde mit einem von ihm mitunterschriebenen offenen Brief über Integrationspolitik, der die vom hessischen Wahlkampf aufgepeitschte Stimmung ein wenig relativieren wollte. Der CDU-Generalsekretär Frank Henkel sah damals in dieser Aktion einen „Kniefall vor linker Diffamierung“. Jetzt droht Pflüger neuer Ärger: In einem mit der Partei nicht vorher abgestimmten Positionspapier thematisiert Pflüger den Umgang mit der Linkspartei – und findet manche Fragen, die auch die Linke stellt, durchaus berechtigt.

Gerechtigkeitsdefizite gebe es zum Beispiel im Umgang mit Hartz IV. Pflüger fordert Korrekturen wie die Erhöhung der Freibeiträge beim Schonvermögen von Arbeitslosengeld-II-Empfängern. Man dürfe diese Themen nicht den Linken und demagogischen Antworten eines Oskar Lafontaine überlassen. Er habe schon nach dem Leipziger Parteitag der Union vertreten, die soziale Gerechtigkeit stärker zu thematisieren. „Wirtschaft- und Sozialpolitik müssen gemeinsam gedacht werden“, sagt Pflüger.

Nach wie vor habe die Linke keinen Trennungsstrich zur SED gezogen. Doch müsse die CDU künftig differenzierter mit ihrer Kritik an der SED und der „Lebenswirklichkeit der DDR“ umgehen. „Die meisten Menschen haben anständig unter der Diktatur gelebt und etwas aufgebaut, auf das sie stolz sein können“, sagt Pflüger. Die CDU habe bisher zu sehr den Eindruck erweckt, diese Leistungen „in Bausch und Bogen“ verurteilen zu wollen. Statt über Misserfolge in Ostdeutschland sollte man stärker die Erfolge hervorheben und Bürgerrechtlern ein gerechtes Andenken erweisen. Da die SPD nicht bereit sei, sich mit der Linken und ihren Thesen auseinanderzusetzen, müsse das jetzt die CDU übernehmen.

Pflüger will sein Papier nicht als „Anbiederung an die Linke“ verstehen, sondern als Ansatz für eine parteiinterne Diskussion. Als ob er drohenden Ärger in der Berliner CDU voraussieht, schränkt er ein, dass das Papier doch eher in Richtung Bundespartei adressiert sei.

Seinen Berliner Parteifreunden liegt das Papier seit gestern vor. „Das klingt so, als ob wir uns noch nie mit dem Thema Linke auseinandergesetzt hätten“, ärgert sich ein führender Christdemokrat. Pflüger habe eine „typische Westsicht“ und sei noch nicht in der Lebenswirklichkeit in Berlin angekommen. Ein anderer CDU-Parteifunktionär hofft, dass das Papier „stillschweigend“ während der Osterferien hingenommen werde und keine Diskussion fordere. „Das Thema ist für uns doch nicht neu.“

„Ich verstehe die Aufregung nicht. Wir setzen uns seit vielen Jahren differenziert und kritisch mit der DDR und den individuellen Lebensläufen auseinander“, sagt der Pankower CDU-Kreischef Peter Kurth. „Wir werden prüfen, welche Ansätze neue sind und sie dann diskutieren“, sagt auch CDU-Generalsekretär Frank Henkel mit spitzer Zunge. In Berlin gebe es „weniger Nachholbedarf, sich mit Linken auseinanderzusetzen, weil sie sich in der Regierungsverantwortung schon weitgehend entzaubert hat“.

Schon seit längerem wächst innerhalb der CDU die Kritik an Pflüger. Inzwischen geht es nicht mehr allein um den Stil, den ihm Parteifreunde ankreiden: Pflüger würde sich jedes Themas annehmen und lasse Parteifreunden keine Chance zur Profilierung. Es mehren sich zunehmend auch die Stimmen, die inhaltliche Schwierigkeiten mit ihm haben. Zum einen ist es sein rasantes Tempo, mit der er Schwarz-Grün oder Jamaika innerhalb seiner Partei salonfähig machen will. Dabei übersehe er, dass der Wechsel einer im Kern strukturkonservativen Berliner CDU zu einer modernen Großstadtpartei sensibel eingeleitet werden muss und es dafür vieler Diskussionen mit der Basis bedarf.

Immerhin hat Pflüger mit seinem Papier das Wohlwollen eines Linkspolitikers gewonnen. Fraktionsvize Stefan Liebich hat ihn in seine Veranstaltungsreihe „Brot, Pop und Politik“ eingeladen. Er sei sehr gespannt, sagt Liebich, ob sich Pflüger einer „differenzierten Diskussion“ stellen werde. Sabine Beikler

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