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Nach Schießerei in Neukölln: Vernetzt gegen kriminelle Großfamilien

Politiker fordern nach der Schießerei in Neukölln Konzepte gegen kriminelle Großfamilien. Einzelfälle zeigen immer wieder, dass das Einzige, was sie mit dem deutschen Staat verbindet, der Bezug von Transferleistungen ist.

Etwas ratlos sind die Sicherheitsfachleute in der Berliner Politik angesichts der Kriminalität der arabischen Clans. Deren Straftaten gehören zur organisierten Kriminalität, doch das ist es nicht allein. Die Clans, die es nicht nur in Berlin gibt, leben nach ihren eigenen Regeln. Sie rekrutieren den kriminellen Nachwuchs aus der Großfamilie. Einzelfälle zeigen immer wieder, dass das Einzige, was sie mit dem deutschen Staat verbindet, der Bezug von Transferleistungen ist. Bodo Pfalzgraf von der Polizeigewerkschaft hat deshalb das Zusammenwirken vieler Behörden in einer „Taskforce“ angeregt – und damit auf ein Defizit in der Berliner Politik hingewiesen. Von Ideen zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität war dort länger nichts zu hören.

Dies sei „ein Problem, dass von Rot-Rot nicht angegangen wird“, stellt der FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo fest. Benedikt Lux von den Grünen findet Pfalzgrafs Vorschlag einer Task Force gut – er hat den Eindruck, dass die „gewerblichen Ausmaße“ der Clan-Kriminalität zu oft nicht entdeckt werden. Peter Trapp von der CDU hält es deshalb für sinnvoll, eine Sonderkommission gegen die Clan–Kriminalität einzusetzen, die in enger Abstimmung mit dem Finanzamt für Steuerstraftaten arbeiten sollte. Das würde den Behörden den Zugriff auf illegale Einkünfte möglich machen.

Der SPD-Politiker Fritz Felgentreu will noch etwas weiter gehen. In Bremen, sagt er, habe man eine „fallbezogene Vernetzung“ zwischen den verschiedensten Behörden geschaffen. Damit ist gemeint, dass Polizei, Justiz, Schulen und Jugendämter zusammenarbeiten, wenn dies geboten erscheint. In Bremer Amtsdeutsch ist von „behördenübergreifenden Fallkonferenzen“ die Rede. Erfunden wurden sie für ein Handlungskonzept gegen Jugendgewalt, das stark dem Berliner Konzept gegen Intensivtäter ähnelt. Felgentreu meint, man könne es auf die Bekämpfung der Clan-Kriminalität übertragen – nicht zuletzt, weil kriminelle Karrieren junger Männer oft mit dem dauerhaften Schulschwänzen beginnen. Der SPD-Politiker fände es richtig, wenn „senatsseitig“ etwas passierte. Er höre immer, die Behörden könnten sich ja vernetzen, wenn sie wollten, außerdem sei da noch der Datenschutz. Dann erinnert Felgentreu daran, dass auch das inzwischen berühmte Intensivtäter-Konzept erst zustande kam, als sich Polizei und Staatsanwaltschaft nicht bloß vernetzen konnten, sondern sollten.

Polizeilich relevant sind vor allem die „libanesischen Kurden“, die ursprünglich aus der Türkei stammen. Sie fallen weitaus häufiger durch Straftaten auf als zum Beispiel Türken. Etwa 15 000 von ihnen kamen bis 1990 in die Bundesrepublik und beanspruchten als angebliche Bürgerkriegsflüchtlinge Asyl. Die meisten Anträge wurden abgewiesen. Abschiebungen jedoch sind unmöglich, da der Libanon diese Leute nicht aufnimmt.

Nicht wenige, die das wussten, warfen am früheren DDR-Flughafen Schönefeld ihre türkischen Pässe weg und kamen über den Grenzübergang Friedrichstraße nach West-Berlin. Hier gaben sie sich als Libanesen aus – wie 1976 die Mutter von Nidal R., der, wie berichtet, am Donnerstag bei einer Schießerei in Neukölln verletzt wurde. Gegen abgewiesene Asylanträge prozessierte die Familie mit teuren Anwälten durch alle Instanzen. Viele illegal Eingereiste nahmen hier typische Sippennamen wie Miri, Al-Zein, Khodr, Ali-Khan oder Saado an. Und vielen gelang es auch, an einen deutschen Pass zu kommen. Nach einer Auswertung der Polizei von 2003 hatten 42 Prozent der 310 Personen der Sippe R. einen deutschen Pass. Dieser Clan R. soll jetzt hinter den Schüssen auf den Intensivtäter Nidal R. (ein anderer Nachname) stehen. Bislang wurden etwa 30 Schießereien zwischen den Clans in Berlin gezählt.

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