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Neuer Finanzsenator: Nußbaum: Ein Herz für die Wirtschaft

Der künftige Finanzsenator Ulrich Nußbaum versteht seinen Job anders als sein Vorgänger Thilo Sarrazin: Nußbaum setzt mehr auf Investitionen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Unternehmer Ulrich Nußbaum, der am 1. Mai neuer Finanzsenator wird, ist ein ganz anderer Typ als sein Vorgänger Thilo Sarrazin. Das gilt nicht nur für den persönlichen Stil, sondern wohl auch für den finanzpolitischen Kurs. Es steht zu vermuten, dass er den alten Bremer Wahlspruch nach Berlin mitbringt: „Sparen und investieren“. Von der „rein fiskalisch orientierten Entschuldungsstrategie“ des Kollegen Sarrazin hat er sich mehrfach distanziert. Auf Diskussionsveranstaltungen, aber auch vorm Bundesverfassungsgericht, als Bremen 2006 erneut auf eine Haushaltsnotlage klagte. Nußbaum war von 2003 bis 2007 Finanzsenator in der Hansestadt.

Man dürfe haushaltspolitische Probleme nicht nur nach finanzwirtschaftlichen Ziffern, sondern müsse sie auch nach den Kennziffern der Wirtschaftsstruktur beurteilen, sagte er in Karlsruhe – und nannte als Vorbild Bremen, das nicht nur auf die Senkung von Verwaltungskosten und die Begrenzung der Schulden achte, sondern auch auf wirtschaftsstärkende Investitionen setze. „Es geht nicht nur um kurzfristige fiskalische Vorteile, sondern um einen nachhaltigen ökonomischen Effekt.“

Nun war es allerdings so, dass Bremen von 1994 bis 2004 insgesamt 8,5 Milliarden Euro Sanierungshilfen des Bundes erhielt, um den Landeshaushalt in Ordnung zu bringen. Trotzdem hat der kleine Stadtstaat immer noch die höchste Verschuldung in der Republik: mit fast 22 000 Euro pro Einwohner. Berlins scheidender Finanzsenator legte gern seinen Finger in diese Wunde. Als in der Föderalismuskommission im vergangenen Jahr über neue Finanzhilfen für arme Länder diskutiert wurde, warf Sarrazin den Nordlichtern eine verfehlte Ausgabenpolitik vor: Mit einem ausgeprägteren Sparwillen hätten die Bremer schon 2007 einen ausgeglichenen Etat erzielen können. So wie Berlin. Stattdessen hätten sie die umfangreichen Hilfen „durch eine ungezügelte Ausgabenwirtschaft verpulvert“. Es sei nicht akzeptabel, dass Schleswig-Holstein, das Saarland und Bremen das bundesstaatliche Solidarsystem „als Trittbrettfahrer nutzen“.

Schon 2005 hatte Sarrazin dem Bremer Senat vorgeworfen, bei der Haushaltssanierung „offenkundig versagt“ zu haben. Er schlug kurzerhand vor, Bremen mit Niedersachsen zu fusionieren. Das fand auch Nußbaum nicht lustig. Immer wieder ärgerte Sarrazin die Nachbarn an der Weser. Im November 2004 war er als Gastredner zu einer Podiumsveranstaltung der Uni Bremen eingeladen. Finanzsenator Nußbaum sprach das freundliche Grußwort. Finanzsenator Sarrazin gab einen bösen Spruch zum Besten. „Beim Bund herrscht über Bremen die Meinung vor: Je mehr wir ihnen geben, desto mehr geben sie aus.“ Gewiss hat er damit seinen Nachfolger nicht persönlich mobben wollen. Zumal es Nußbaum während seiner Amtszeit schaffte, die Personalausgaben stabil zu halten, die Gesamtausgaben um durchschnittlich ein Prozent jährlich zu kürzen und die zu hohen Investitionskosten um 250 Millionen Euro zu verringern.

Dabei hat Nußbaum nur ungern an der Notbremse gezogen. Er beklagte zum Beispiel, „dass wir in Deutschland auf vielen Feldern nicht mehr ausreichend investieren“. Auch bei den öffentlichen Investitionen in Bremen sah Nußbaum eher keinen Überfluss, sondern einen „ Nachholbedarf“. Obwohl der dortige Senat manche Fehlinvestition verursacht hat.

Etwa das Freizeitzentrum Space Park, das floppte. Oder das Musicaltheater und eine Galopprennbahn. Die bis 2006 mitregierende CDU sprach im Nachhinein selbstkritisch von „Subventionsorgien“. Auch die oppositionelle FDP kritisierte oft die Finanz- und Wirtschaftspolitik der großen Koalition in Bremen. Der Versuch, die Bundesgelder nicht für den Schuldenabbau, sondern für Sonderinvestitionsprogramme zu verwenden, habe letztlich nicht zur Sanierung Bremens geführt. SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen räumte Fehler ein, verwies aber auf erfolgreiche Projekte, wie den Technologiepark oder ein neues Containerterminal.

Kommt also nicht ein Finanz-, sondern ein verkappter Wirtschaftssenator nach Berlin? Denn eines lag Nußbaum während seiner Amtszeit in Bremen immer am Herzen: eine „nachhaltige Standortentwicklung“ mit öffentlichen Mitteln, um das Engagement der privaten Wirtschaft zu stärken. Es war wohl kein Zufall, dass ihm die Bremer SPD 2007 vergeblich anbot, Senator zu bleiben. Aber für Wirtschaft und Justiz, nicht für Finanzen. Dennoch gilt er in Bremen als Politik-Realo, der eine Behörde führen und sich gegen Lobbyisten durchsetzen kann.

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