zum Hauptinhalt

Vor der Abgeordnetenhauswahl: Von Hamburg lernen

Das Ergebnis der Bürgerschaftswahl zeigt den Berliner Parteien, was sie richtig oder falsch machen können. Sechs Lehren aus der Hamburger Wahl.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Was sagt uns Hamburg, wenn wir auf die Abgeordnetenhauswahl am 18. September schauen? Erstens: Die großen Ballungsräume in Deutschland bleiben Hochburgen sozialdemokratischer Stadtpolitik. Ausnahmen bestätigen die Regel. 15 der 20 größten Städte haben einen Oberbürgermeister mit einem SPD-Parteibuch. Die Rathäuser der drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sind jetzt alle rot.

Zweitens: Ein Kandidat, den die Wähler als vertrauenswürdig, sympathisch, solide und kompetent ansehen, hat beste Chancen. Vor allem dann, wenn er zur eigenen Stadt passt. So wie Christian Ude (SPD) in München oder Petra Roth (CDU) in Frankfurt am Main. Und jetzt Olaf Scholz (SPD) in Hamburg. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verkörpert zweifellos Berlin: weltoffen, nicht auf den Mund gefallen, ein bisschen schlampig. Ansonsten ist er regierungserfahren, durchsetzungsfähig und trotz Abnutzungserscheinungen ist eine Mehrheit der Berliner noch mit seiner Arbeit zufrieden. Bei einer Direktwahl gegen Renate Künast (Grüne) würden sich 53 Prozent für ihn und 30 Prozent für die Kontrahentin entscheiden. Im direkten Vergleich mit Frank Henkel (CDU) fällt das Ergebnis mit 62 zu 24 Prozent noch deutlicher aus. Eine Abwahlstimmung, wie sie in Hamburg den CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus das Amt kostete, gibt es bislang nicht.

Drittens: Die Menschen wollen, dass ihre Probleme gelöst werden. Egal wie. Und so ist es kein Wunder, dass in Berlin SPD und Linke, CDU und Grüne dieselben Felder beackern. Sie versprechen wachsende Wirtschaftskraft und mehr Arbeitsplätze, bezahlbare Mieten, einen reibungslosen Personennahverkehr und eine bürgernahe Stadtentwicklung. Nicht zu vergessen den Klimaschutz. Ökonomie – Soziales – Ökologie. Der simple Dreiklang zieht. Der Rest ist Beiwerk. Wahlentscheidend wird sein, welcher Partei die Wähler am ehesten zutrauen, aus dem Wunschkatalog Wirklichkeit werden zu lassen. Je konkreter die Ideen, desto besser. Wer Klientelpolitik betreibt, allen Alles verspricht oder in den Verdacht ideologischer Umtriebe gerät, wird bei der Wahl im Herbst nur die Kernwählerschaft erreichen.

Viertens: Die demografische Entwicklung in den großen Städten ist für die eine Partei ein guter Nährboden, für die andere Partei ein schleichendes Gift. Das Wahlergebnis in Hamburg bestätigt einen Trend, der auch in Berlin wirkt: Die Grünen haben eine Wählerschaft, die unten stetig nachwächst und den Idealen ihrer Partei bis ins Rentenalter treu bleibt. So erhöht sich das Grundpotenzial von Wahl zu Wahl, Ergebnisse von 20 Prozent und mehr sind erreichbar. Der CDU hingegen sterben die Wähler weg. Es sind die Menschen über 60 Jahre, die noch verhindern, dass die Union auf Werte um die 15 Prozent abrutscht. Dagegen sind die Sympathien für SPD, Linke und FDP fast altersneutral verteilt.

Fünftens: Aus Hamburg lernen heißt auch, eine historische Besonderheit Berlins nicht zu vergessen. Und das ist die nachhaltige Spaltung der Stadt in eine West- und Ostwählerschaft. CDU und Grüne könnten besser dastehen, wenn sie ihr Image als Westpartei auch in Hellersdorf-Marzahn oder Lichtenberg loswerden könnten. Die Linke wiederum bleibt eine ostdeutsche Regionalpartei. Für sie wäre es ein Erfolg, nach der Wahl im September erstmals auch in den Bezirksvertretungen von Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf vertreten zu sein.

Sechstens: Die FDP in Berlin muss fürchten, was ihr in Hamburg geholfen hat. Dort profitierte sie von enttäuschten CDU-Anhängern. In Berlin will die Union den Liberalen das Wasser abgraben. Ulrich Zawatka-Gerlach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false