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Warten. Das müssen Besucher im Bürgeramt immer wieder. Foto: Mike Wolff

© Mike Wolff

Sparzwang in Berlin: Längere Wartezeiten und schlechterer Service

Die Bezirke klagen über einen Fachkräftemangel, es knirsche es an allen Ecken und Enden, heißt es. Doch auch in den Finanzämtern ist es eng.

Weniger Personal in den Bezirksämtern, das heißt für die Bürger vor allem eins: länger warten. „Statt vier Wochen müssen die Menschen dann acht Wochen auf ihren Wohngeldbescheid warten“, sagt der Reinickendorfer Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU). Ähnliches gelte für die Bürgerämter. „Im Moment beträgt die Wartezeit in Reinickendorfer Bürgerämtern eine halbe Stunde. Mit weniger Personal könnten daraus drei Stunden werden“, sagt Balzer. Zudem kämen neue Aufgaben für die Bezirksämter hinzu. „Es gibt da eine Wahnsinnsanspruchshaltung“, so Balzer. Besonders von den Ordnungsämtern würde erwartet, dass sie immer mehr Aufgaben übernehmen. Diese Einschätzung teilt auch sein Neuköllner Amtskollege Heinz Buschkowsky (SPD): „Es ist irrsinnig, was die alles leisten sollen.“ Dabei gebe es pro Bezirk nur 30 bis 40 Mitarbeiter im Außendienst.

Im Bezirk knirsche es an allen Ecken und Enden. Lediglich neun Einstellungen von außen seien in diesem Jahr gestattet gewesen. Grenzwertig sei beispielsweise die Belastung bei der Familienfürsorge im Neuköllner Jugendamt. Ein Mitarbeiter müsse sich dort um bis zu 90 Fälle kümmern. Überhaupt nicht zu erfüllen sei die Zielvorgabe, bis 2013 weitere 100 Stellen im Bezirk abzubauen.

Die Lichtenberger Bürgermeisterin Christina Emmrich (Die Linke) kritisiert den Spardruck: „Mit dem jetzigen Budget für 2012 müsste ich in meinem Bezirk 120 Stellen streichen. Dazu sehe ich keine Möglichkeit.“ Dabei steige der Bedarf – auch aufgrund der demographischen Entwicklung: „Wir haben im Bezirk immer mehr alte Menschen, die Grundsicherung bekommen.“

In Spandau beklagt Björn Martin, Referent des Bürgermeisters Konrad Birkholz (CDU), einen Fachkräftemangel. In der Bauabteilung fehlten Ingenieure. Deshalb dauerten Baumaßnahmen länger, weil niemand die Arbeiten koordinieren könne. In den Bürgerämtern bekommen die Spandauer den Personalmangel direkt zu spüren: Die beiden Außenstellen werden alle paar Monate zeitweise geschlossen. Sibyll Klotz (Grüne), Gesundheits- und Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, hat Engpässe im Gesundheitsamt und muss in diesem Jahr zwei Ärztestellen besetzen. Da Mediziner über den Stellenpool nicht zu bekommen sind, hat sie die Ausnahmegenehmigung für zwei Außeneinstellungen.

Nicht nur die Bezirke klagen: Eng ist es auch in den Finanzämtern. Eine bundeseinheitliche Berechnung sieht einen Bedarf von 6720 Stellen, besetzt seien nur 6008 Stellen. „Das entspricht drei Finanzämtern“, sagt Klaus Wilzer, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats. Das führe dazu, dass vor allem ein Computerprogramm die Angaben prüft. Lediglich punktuell könnten die Mitarbeiter kontrollieren; die Qualität bleibe auf der Strecke. „Es gilt das Prinzip: Augen zu und durch“, sagt Wilzer.

Beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vermisst die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ein Personalkonzept; der Senat habe nicht einmal richtig berechnet, wie viele Mitarbeiter aus Altersgründen ausscheiden. „Guter Bürgerservice ist politisch gewollt. Unter den gegebenen Umständen wird er an Qualität verlieren“, sagt GdP-Chef Michael Purper. Sigrid Kneist/Sylvia Vogt

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