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Berlin: Laster nicht beliebt: Kein Platz für Sex und Glücksspiel

Sex-Betriebe, offene Drogenszenen und Spielsucht gehören zwar zu einer Großstadt, doch viele Bürger wünschen, das Laster möge lieber im Verborgenen blühen. Darin besteht der Erfolg der meist aseptischen Einkaufspassagen, die zuhauf besonders im Ostteil entstanden sind.

Sex-Betriebe, offene Drogenszenen und Spielsucht gehören zwar zu einer Großstadt, doch viele Bürger wünschen, das Laster möge lieber im Verborgenen blühen. Darin besteht der Erfolg der meist aseptischen Einkaufspassagen, die zuhauf besonders im Ostteil entstanden sind. Viele West-Bezirke schauen inzwischen mit Neid auf das saubere Ost-Zentrum und versuchen, das eigene Schmuddel-Image loszuwerden. Nach der erfolgreichen Klage des Bordellbetriebs "Café Pssst" gegen die Schließung stehen die Bezirke aber vor einer neuen Situation.

Der Potsdamer Platz ist sauber - in vielerlei Hinsicht. Kein Müll auf der Straße, keine Trinker auf den Bänken, keine Bettler vor den Geschäften, schon gar keine Junkies oder Prostituierte an den Straßen. Das Konzept "hell, sicher, sauber" sei voll aufgegangen und werde von den Besuchern honoriert, freut sich debis-Sprecherin Ute Wüest von Vellberg. Bei den Mietern wurde auf "gehobenen Qualitätsstandard" geachtet. Spielhallen und Sex-Shops blieben außen vor. Ute Wüest von Vellberg: "Solche Läden ziehen eine Klientel an, die keine große Akzeptanz in der Bevölkerung hat. Viele Gegenden rutschen dann ab."

Auch das Regierungsviertel in Mitte inklusive Friedrichstraße hat die Außenseiter der Gesellschaft weitgehend ausgeblendet. "Das wurde über Bebauungspläne gesteuert", sagt Mittes Baustadtrat Thomas Flierl (PDS). Man habe dabei von Erfahrungen anderer Großstädte profitiert. Durch die Sanierung und Überwachung der Bahnhöfe konnte sich das entsprechende Milieu gar nicht erst entwickeln.

Mehrere West-Bezirke wollen dem Beispiel jetzt nacheifern. Charlottenburg und Wilmersdorf wollen den Ku-Damm baurechtlich unter Schutz stellen. "Vergnügungsstätten" wie Peep-Shows, Sex-Kinos, Nachtlokale und Spielhallen sollen fortan verboten sein. Vorhandene Einrichtungen genießen Bestandsschutz. "Die Häufung soll vermieden werden", sagt Charlottenburgs Baudirektor Klaus Knittel.

Es gehe nicht darum, "die Bevölkerung moralisch zu erziehen, sondern städtebauliche Probleme zu lösen." Wilmersdorfs Baustadtrat Alexander Straßmeir (CDU) will dem "Verlust von Lebensqualität" entgegenwirken. In der Steglitzer Schloßstraße, der Weddinger Müllerstraße und am Tempelhofer Damm will man das jetzt auch. "Der weitere Abstieg der Einkaufstraße" soll verhindert werden, sagt der Tempelhofer Wirtschaftsstadtrat Ekkehard Band (SPD). Ein Sex-Kino darf jetzt nur noch Videos ausleihen, aber keine mehr zeigen. Die Neu-Ansiedlung einer Spielhalle wurde vom Stadtrat abgewiesen.

Wohin die Betreiber ausweichen - an den Stadtrand oder in die Illegalität, wissen die Verantwortlichen nicht. Seit vergangenem Freitag hat sich jedoch bei der Duldung oder dem Verbot von Bordellbetrieben eine völlig neue Lage ergeben. Wie die Verwaltungen auf das Aufsehen erregende Urteil des Verwaltungsgerichts reagieren werden, ist offen. Dem Bordellbetrieb "Café Pssst" an der Brandenburgischen Straße, das vom Bezirk Wilmersdorf wegen "Förderung der Prostitution" geschlossen werden sollte, wurde vor Gericht bescheinigt, Prostitution sei nicht mehr sittenwidrig. Der Richter verwies auf den generellen Meinungswandel in der Gesellschaft und genehmigte den weiteren Betrieb. Allerdings gelte dies nur, wenn mit dem Bordellbetrieb keine Begleitkriminalität wie Zuhälterei einhergeht.

In Reinickendorf und Wedding sehen die Bezirkspolitiker die Lebensqualität eher durch öffentliches Trinken gefährdet. Die "Prohibition" im Weddinger Kiez um den Malplaquetplatz veranlasste sogar den "Spiegel", sich vor Ort einen Eindruck von "Law and Order"-Politik gegen soziale Verrohung zu verschaffen. Während man im Wedding öffentlichen Alkoholverzehr mit Bußgeldern ahndete, schraubten die Reinickendorfer in der Tegeler Fußgängerzone Gorkistraße und in der Schubartstraße in Borsigwalde kurzerhand die Ruhebänke ab. "Das hat großen Applaus gefunden", sagt Baustadtrat Michael Wegner.

Um soziale Brennpunkte zu verhindern, habe man in Reinickendorf das Gesetz schon immer konsequent umgesetzt. Allerdings gesteht er zu, dass es sich um eine Maßnahme der "reinen Verdrängung" handele. Am besten die Alkoholiker trinken zu Hause - wenn sie denn eins haben.

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