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Berlin: Leben im Schatten

„Good Bye Cindy“ feierte im Theater am KurfürstendammPremiere.Es schildertdenAlltag im Kinderheim

Beim ersten Applaus grinst Bianca stolz. „Huch, es funktioniert“, scheint sie zu denken als tatsächlich der ganze Saal lacht. Das 19-jährige Mädchen im Trainingsanzug steht auf der Bühne des Theaters am Kurfürstendamm. Es sind die ersten Minuten des Musicals „Good Bye Cindy“, das 19 Kinder des Kinderhauses Hohenschönhausen aufführen. „Wir sind die Heimis und erzählen euch von unserem Leben“, singen sie im ersten Akt. Sie sind zwischen zehn und 19 Jahren alt.

Gespielt wird die Geschichte des Mädchens Cindy, die aus dem Heim auszieht. Weil sie nun erwachsen ist, und weil sie im Heim ihr Leben geordnet hat: Jetzt lebt sie ohne Drogen, ohne schlechte Freunde – und ohne dass sie zuhause halb tot geprügelt wird. Man schluckt bei vielem, was diese so fit aussehenden Kinder da auf der Bühne erzählen. „Ich möchte überhaupt keine Kinder haben. Vielleicht vererbt sich ja so eine Prügelsucht. Oder so eine Sexsucht von Vätern und Onkeln und so... Da sind ja einige Mädchen hier, die von so was ein Lied singen können“, sagt Bianca.

Die Schauspieler stammen alle aus Familien mit großen Problemen. Aber nicht alle seien Waisen oder Vergewaltigungsopfer, betont Petra Kaufmann, die stellvertretende Heimleiterin des Kinderhauses Hohenschönhausen. „Verwahrlosung ist unser häufigstes Problem, nicht Misshandlung.“ Zum Teil kämpfen die Jugendlichen mit ganz normalen Pubertätsproblemen. „Bin ich zu dick?“ fragt Franzie im Stück. Melanie ist traurig: „Mein Freund hat per SMS Schluss gemacht“.

Dann wieder geht es darum, Erfahrungen von Gewalt, Alkoholsucht und Arbeitslosigkeit der Eltern zu verarbeiten. Die Folge ist, dass sich die Kinder in der Schule nicht konzentrieren können oder gar nicht hingehen. Die Idee zu dem Musical hatte Mäzenatin Ulla Klingbeil, die sich beim Jugend- und Kinderhilfsverein „Arikalex“ engagiert. Sie konnte den Choreografen Detlef D.Soost, die Sängerin Angelika Weiz, den Regisseur Holger Hauer und den Komponisten Rainer Oleak für das Musical gewinnen. Betreut wird das Projekt von der Internationalen Akademie für innovative Pädagogik an der Freien Universität.

Am Anfang stand der Text: Ab Herbst 2003 traf sich Autorin Inge Mesterharm-Dähne jede Woche mit den Kindern aus Hohenschönhausen. „Ich habe die Jugendlichen immer wieder gefragt, stimmt das so, ist es so, euer Leben“, sagt Mesterharm-Dähne. Herausgekommen sind zuweilen harte Anklagen: „Ich will dein Kind, dein Liebstes sein – doch du schiebst mich ins Kinderheim“, heißt es in dem Lied „Mutter“.

Es sind auch viele Eltern der jugendlichen Schauspieler im Publikum. Nach der Aufführung stehen die Zuschauer auf und johlen, sie sind begeistert. Eine Mutter kommt auf die Bühne und sagt: „Es ist toll, was in den zwei Jahren mit meiner Tochter geschehen ist.“ Dass Eltern und Kinder wieder zusammenfinden, ist für Petra Kaufmann eine zentrale Aufgabe des Kinderheims. „Wir versuchen, auch die Eltern soweit fit zu machen, dass die Familie wieder zusammenleben kann“. Text und Musik des Musicals stehen bundesweit allen Kinderheimen zur Verfügung. In Berlin soll es im September weitere Aufführungen im Quatsch Comedy Club geben.

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