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Lehrstelle trotz schlechter Noten: Ausbilder gaben schwierigen Jugendlichen eine Chance - vor fünf Jahren

Nicht alle Handwerksmeister bestehen auf Einser-Kandidaten. Vor fünf Jahren nahmen manche Ausbilder bewusst die schlechtesten Bewerber, um sie dann aufzubauen - mit Erfolg. Zwei Beispiele. Was Daniela Martens und Anne-Sophie Lang darüber schrieben.

Dicht an dicht stehen die Porsches im Innenhof von Thomas Lundts Sportwagen-Werkstatt in Zehlendorf. Ein Traumarbeitsplatz für junge Männer. Veton Ljoki begann hier vor zwei Jahren seine Ausbildung, obwohl der damals 17-Jährige seinen Hauptschulabschluss nur knapp geschafft hatte, mit Dutzenden Fehltagen. Die Arbeitsagentur Neukölln führte ihn als Bewerber mit den schlechtesten Noten.

„Man sollte nicht nur auf die Zeugnisse gucken“, sagt Werkstattchef Thomas Lundt. „Auch schlechte Schüler warten auf ihre Chance.“ Er nahm den jungen Mann gerade wegen seines schlechten Zeugnisses. „Ich habe mich geärgert über Kollegen, die sich mit der Aussage ,Die sind sowieso zu doof‘ aus der Verantwortung stehlen“, sagt der 56-jährige Obermeister der Berliner KfZ-Innung. „Wenn alle ein bisschen helfen würden, könnten wir aus vielen vermeintlichen Transferleistungsempfängern leistungsfähige Arbeitnehmer machen.“

Ähnlich sieht das auch Malermeister Horst Schollmeyer aus Marienfelde, Chef von 50 Angestellten: „Mich kotzt es an, wenn ich immer höre: Die Jugend taugt nichts. Das haben schon unsere Großeltern gesagt, aber keiner tut etwas dagegen.“ Schon seit 1980 bilde er deshalb „in Eigenregie“ Lehrlinge aus, denen andere nichts zutrauen: lernbehinderte, „ausbildungsschwierige“, wie Schollmeyer sagt, und ehemalige Drogenabhängige wie sein derzeitiger Auszubildender. „Der ist noch in Therapie.“ Mit den meisten war er bislang sehr zufrieden. Denn er hat „Rezepte“, um sie zu motivieren: Im Arbeitsvertrag ist festgelegt, dass sie Nachhilfe nehmen müssen, sobald sie in der Berufsschule eine schlechtere Note als vier bekommen. „Und denen muss abends der Löffel in die Suppe fallen, so haben sie keine Zeit, etwas anzustellen.“

Auch in der Sportwagenwerkstatt funktioniert das Experiment mit Hauptschüler Veton Ljoki: „Er ist jetzt ein richtig guter Mechaniker“, sagt Werkstattchef Lundt. „Wir konnten ihn zügig motivieren, weil er hier etwas macht, worin er einen Sinn sieht und Bestätigung bekommt.“ Der 19-Jährige bestand im Juli seine Prüfung zum Service-Mechaniker und arbeitet jetzt bei der Firma als Geselle. Der Bewerbungsmarathon vieler Gleichaltriger blieb Ljoki erspart. „Ich hab ein bisschen Glück gehabt“, sagt der junge Mann bescheiden und: Nein, fotografieren lassen möchte er sich nicht. „Natürlich gehört Glück dazu“, sagt auch sein Meister, „die Chemie muss stimmen.“ Vielleicht deshalb hat Veton Ljoki in der Firma noch keinen Tag gefehlt. Zum neuen Ausbildungsjahr hat sein Chef sich wieder den am schwersten vermittelbaren Bewerber ausgesucht, dieses Mal von der Arbeitsagentur Wedding. „Ich will meinen Erfolg bestätigen, damit das nicht als Glücksfall abgetan wird.“

Auch Malermeister Schollmeyer will weitermachen: „Mein schönster Lohn ist es, wenn mir die Jungs ihren Gesellenbrief hinlegen.“ Trotzdem freut er sich auch über die Franz-von-Mendelssohn-Medaille, die Industrie- und Handels- und die Handwerkskammer ihm verliehen, weil es ihm gelungen ist, soziales Engagement mit wirtschaftlichem Erfolg zu verbinden. Anne-Sophie Lang/Daniela Martens

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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