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Berlin: Leise Töne zum Jubiläum

Seit 30 Jahren steht Bernd-Dietrich Beyer am Zapfhahn in seiner Wilmersdorfer Kneipe „Aue“. Viele Jazzfans erinnern sich an die sonntäglichen Frühschoppen, die von den Ämtern allerdings verboten wurden

Als Bernd-Dietrich Beyer neulich ein Jazzkonzert besuchte, traf er auf überraschte alte Bekannte: Sie hatten geglaubt, der 64-Jährige sei ausgewandert und habe seine Wilmersdorfer Jazz- und Galeriekneipe „Aue“ aufgegeben. Doch davon kann keine Rede sein. Am heutigen Sonntag ab 15 Uhr feiert Beyer, genannt „Pep“, sein 30-jähriges Jubiläum als Wirt an der Berliner Straße 48. Dazu eröffnen 17 Maler wie Johannes Grützke und Sigurd Kuschnerus, die dem Traditionslokal durch frühere Ausstellungen verbunden sind, eine Gemeinschaftsschau.

Ans Aufhören denkt Beyer nicht: „Ich reihe mich nie bei den Rentnern ein.“ Stattdessen will er ab Januar oder Februar noch einmal richtig durchstarten. Zusammen mit der Galerie Giesler & Partner plant er Sonntags-Matineen mit Kleinkunst, Kabarett, Lesungen, Podiumsdiskussionen oder Gesang.

Dass man sich in Berlins Jazzszene zwar gut an die „Aue“ erinnert, aber die Livemusik dort fast nie mehr spielt, liegt an einem Streit um den Lärm. 1999 zwang das Bezirksamt den Wirt, die sonntäglichen Jazz-Frühschoppen einzustellen, nachdem sich Hausbewohner beschwert hatten. Beyer war machtlos, zumal er nie eine Konzession für Musik beantragt hatte. Er hält es für unmöglich, das seit 1906 bestehende Lokal mit Lärmschutzwänden auszustatten. 26 Jahre lang hatten die Frühschoppen niemanden gestört, woraus das Wirtschaftsamt aber keinen Bestandsschutz ableiten mochte. Der Verlust einer musikalischen Institution wurde lediglich „bedauert“. Seitdem erklingt der Jazz in der Regel nur vom Band. Das ähnele dem „abgebrochenen Mercedes-Stern“ an einem Luxusauto, findet Beyer. Nur selten beantragt er Ausnahmegenehmigungen, die viel Geld kosten. Außerdem gibt es Nachbarn, denen der Kneipenlärm immer noch zu laut ist. Gleichwohl soll es im Januar ein Gedenkkonzert für den verstorbenen Jazzmusiker Helmut Brandt geben, der häufig in der Kneipe aufgetreten war.

Die urige Gaststube ist mit schweren Holzmöbeln, dunklen Kronleuchtern, alten Emailleschildern und Tonkrügen noch so eingerichtet wie vor 30 Jahren. Beachtlich ist die Patina. Einst waren die Wände strahlend weiß; aber unzählige gerauchte Zigaretten, Zigarren und die fast immer im Mund des Wirtes glimmende Pfeife haben die Farbe in Dunkelbraun verwandelt. Ursprünglich stammt Beyer aus der Hotelbranche, zu seinen Stationen gehörte das Pariser Ritz. Es war die Begeisterung für Jazz und Malerei, die ihn und einen damaligen Geschäftspartner zu Wirten machte. An der leer stehenden Kneipe in dem Altbau, der einst für Straßenbahner erbaut worden war, gefielen Beyer vor allem die hohen Wände – so gab es genug Platz für Bilder. Die Ausstellungen wechseln nach wie vor im Monatsrhythmus.

Ihren Namen hat die „Aue“ von der nahen Wilhelmsaue, dem alten Ortskern Wilmersdorfs. An der Wand hängt aber auch ein Lexikon-Auszug, der Beyer gut gefällt. Demnach steht Aue für eine „einfache, geringe Schänke“ und feucht-fröhliches Zechen.

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