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Berlin: Leistungsprämien: Bloß nicht!

Innensenator Eckart Werthebach will Leistung im Öffentlichen Dienst mit Prämien belohnen - aber kaum einer will sie. Das jedenfalls ist dort zu hören, wo das Geld verteilt werden soll: bei Polizisten, Feuerwehrleuten und Lehrern.

Innensenator Eckart Werthebach will Leistung im Öffentlichen Dienst mit Prämien belohnen - aber kaum einer will sie. Das jedenfalls ist dort zu hören, wo das Geld verteilt werden soll: bei Polizisten, Feuerwehrleuten und Lehrern. Auch in anderen Berufen sind Leistungsprämien nicht unbedingt erwünscht: Krankenhaus-Ärzte haben ebenso Zweifel wie Politessen. Die Gewerkschaft der Polizei warnt sogar davor, dass viele Polizisten durch die Belohnung Einzelner demotiviert würden. Die Bildungsgewerkschaft GEW, der Philologenverband und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) fürchten Neid unter den Kollegen. Schulsenator Böger begrüßt es zwar generell, "wenn besondere Leistung besonders honoriert wird". Mit einer genauen Beurteilung hält er sich aber zurück, bis Werthebach die Vorgaben konkretisiert hat.

Mehr Geld für mehr Leistung: Nach einem Bundesgesetz können besonders engagierte Staatsdiener mit Einmalzahlungen in Höhe eines Monatsgrundgehalts oder Gehaltserhöhungen von bis zu sieben Prozent des Gehalts ausgezeichnet werden. Der Tagesspiegel hat Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer, Ärzte und Angestellte gefragt, was sie von solchen Prämien halten.

Feuerwehrleute: Teamarbeit gefährdet

Die Feuerwehrleute scheinen nicht viel von Prämien zu halten. "Bei uns ist die Leistung des Einzelnen nicht messbar, wir arbeiten im Team", sagt Peter Ragoschke von der Feuerwache in der Rankestraße. Und diese Teamarbeit sieht der Brandoberinspektor durch ein Prämiensystem gefährdet. "Wenn sich der Einzelne für mehr Geld hervortut, kann aus dem Miteinander schnell ein Gegeneinander werden", meint der 54-jährige. Missgunst unter den Kollegen könnten schließlich die Folge sein.

"Ich bin dafür. Ich verdiene einfach mehr als die anderen", lacht ein Kollege, der aber nur scherzt und der gleichen Ansicht wie Ragoschke ist. Auch er hält Prämien nicht für sinnvoll. "Gute Leistungen werden ohnehin in den Jahresberichten festgehalten und gegebenenfalls mit einer Beförderung belohnt."

Lehrer: Zweifel und Neid

Gerhard Rähme, Leiter der Kreuzberger Carl-von-Ossietzki-Gesamtschule, sagt, es sei "schwierig, bei Lehrern Leistung zu definieren". Es gebe zudem schon die Möglichkeit, gute Kollegen zu belohnen, indem man ihnen den Aufstieg auf sogenannte Funktionsstellen ermögliche.

Dies meint auch der Steglitzer Gymnasiallehrer Klaus Kortstock, der die Prämien ebenfalls ablehnt. Er zweifelt daran, dass Unterrichtsqualität durch Zulagen verbessert werden kann, zumal es ein Kontrollsystem nicht gebe. Und seine Kollegin Bettina Wissinger fragt, woher angesichts der Finanzmisere im Land überhaupt das Geld kommen solle.

Albrecht Ehlert, Studienrat am Oberstufenzentrum Kommunikations-, Informations- und Medientechnik, hält ebenfalls nichts von Extra-Geldern. Schon normale Beförderungen seien zum Teil nicht nachvollziehbar, das würde auch bei solchen Zulagen gelten. Zudem könnte so etwas Neid erzeugen. "Wenn schon zusätzliches Geld bereitgestellt wird, dann lieber die seit Jahren verwaisten Fachleiterstellen ausschreiben", sagt der 42-jährige. Und außerdem: "Erhöhtes Engagement wie etwa das Erteilen interner Fortbildungskurse für Kollegen sollte eher mit Stundenermäßigungen als mit Geld honoriert werden."

Die Ausnahme: Einer der wenigen Lehrer, der das Prämiensystem gutheißt, ist Harald Mier vom Verband der Oberstudiendirektoren. Mier hält die Zulagen für ein "vernünftiges Führungsinstrument" und beruft sich dabei auf Erfahrungen in Bayern und Baden-Württemberg. Dort werde seit einiger Zeit pro Schule im Jahr ein Betrag von bis zu zwanzigtausend Mark für die Prämien zur Verfügung gestellt, sagt Mier.

Polizisten: Glück ist ungerecht

Sehr kritisch äußern sich die befragten Polizisten. "Dass ich meinen Bahnhof sauber halte, würde doch nicht extra honoriert werden", sagt ein Beamter von der Bahnpolizei. "Ich kenne das mit den Leistungsprämien noch aus DDR-Zeiten und fand das damals schon ungerecht." Auf einem großen Bahnhof könne man eben mehr Fahndungserfolge erzielen als auf einem einfachen Güterbahnhof.

Auch ein Kollege des Beamten meint, dass bei der Polizei das geplante Prämiensystem nicht gerecht durchführbar wäre. "Das ist doch reine Glückssache, als Mannschaft zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um zum Beispiel einen Täter zu stellen." Wichtiger sei für ihn die vorbeugene Polizeiarbeit, "doch die kann man schlecht abrechnen".

Ärzte: Angst vor Willkür

Das Unfallkrankenhaus Marzahn ist mit dem Prämienplan weiter als alle anderen öffentlichen Einrichtungen. Dort sollen Leistungszulagen ab Herbst gezahlt werden - auch an die angestellten Ärzte und das Pflegepersonal. Der ärztliche Leiter, Anästhesist Walter Schaffartzik, steht hinter dem Plan, den Bundesangestelltentarif (BAT) durch leistungsbezogene Zahlungen zu ergänzen. "Beim BAT gibt es ja nur den sogenannten Bewährungsaufstieg. Der kommt unabhängig von der Leistung, den kann man sich auch ersitzen." Und Geld, sagt Schaffartzik, sei für die meisten Menschen eben eine große Motivation.

Vom Sommer an soll der ärztliche Leiter Mitarbeiter für die Zulagen vorschlagen; die Entscheidung treffen aber will er nicht. "Es muss eine Kommission geben, die unabhängig vom Chef entscheidet, damit Willkür ausgeschlossen ist." Auf Kriterien, nach denen besondere Leistungen im Operationssaal und auf den Stationen belohnt werden sollen, habe man sich noch nicht festgelegt. "Das wird schwierig", sagt Schaffartzik. Wichtig seien der Grad an Komplikationen bei einem Fall und die Zufriedenheit der Patienten mit dem Arzt.

Dagegen: Marco Kiesewetter, Assistenzarzt in der Chirurgie am Krankenhaus Moabit, kann sich kaum vorstellen, wie Leistungen am Operationstisch zusätzlich honoriert werden könnten. Der Erfolg werde im Team erzielt. "Außerdem soll die Operation immer bestmöglich durchgeführt werden." Wenn ein Patient die Klinik weiterempfehle, müsse auch das Team auf der Station ausgezeichnet werden. "Das alles ist sehr schwer zu prüfen", sagt Kiesewetter. Viel wichtiger wäre eine "angemessene Bezahlung von Mehrarbeit und Nachtdiensten".

Dafür: Eva Müller-Dannecker, Anästhesie-Ärztin am Urban-Krankenhaus, meint, dass Engagement in der Fortbildung, besonders gute Kontakte zu den Patienten und Mitarbeit an Problemlösungen durchaus belohnt werden sollten. Durch das Prämiensystem dürfe aber auf keinen Fall die "starre und unzeitgemäße Hierarchie" in den Krankenhäusern verfestigt werden. "Das Resultat darf nicht mehr Ausbeutung heißen - sondern muss mehr Verantwortung für das gesamte Krankenhaus und für alle Patienten sein."

Angestellte: Schlecht fürs Image

Eine Angestellte der Parkraumbewirtschaftung, die ein paar Meter weiter Knöllchen schreibt, sagt: "Das würde unser ohnehin schon schlechtes Image nur noch verschlechtern. Die Leute würden uns jeden Strafzettel extra übel nehmen, wenn sie wüssten, dass wir Prämien dafür bekämen."

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