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Lernmittelfreiheit: Das Büchergeschenk

2003 gab es die schlechte Nachricht für die Eltern. "Die finanzielle Notlage des Landes Berlin", erfordere es, dass sich künftig die Eltern an der Beschaffung der Schulbücher beteiligen müssten. Das teilte der damalige Bildungssenator Klaus Böger mit. Nun soll die Lernmittelfreiheit wieder eingeführt werden.

Die Tonlage war ernst: „Die finanzielle Notlage des Landes Berlin“, so teilte der damalige Bildungssenator Klaus Böger (SPD) im Mai 2003 den Schulen mit, erfordere es, dass sich künftig die Eltern an der Beschaffung der Schulbücher beteiligen müssten. Bis zu 100 Euro müssten sie pro Jahr beisteuern. Sechs Jahre später soll nun der Rückwärtsgang eingelegt werden: Vieles deutet darauf hin, dass sich die SPD auf ihrem Parteitag am 17. Mai für die Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit einsetzen wird. Die Linke ist auch dafür: „Wir unterstützen das vorbehaltlos – wenn es nicht alternativ zu anderen bildungspolitischen Vorhaben steht“, sagt der bildungspoltische Sprecher Steffen Zillich.

Während sich Landeselternsprecher André Schindler darüber freut, dass die Familienbudgets wieder entlastet werden sollen, sind die Schulen geteilter Meinung über den SPD-Vorstoß. Nur in einem sind sich alle einig: Keiner hat damit gerechnet angesichts der Tatsache, dass sich an der „finanziellen Notlage des Landes Berlin“ überhaupt nichts geändert hat seit dem Mai 2003. Im Gegenteil.

Damals wie heute ist das Geld knapp, und die Beteiligung der Eltern an der Anschaffung der Schulbücher entlastet den Berliner Etat um etwa zehn Millionen Euro, ohne dass alle Eltern tatsächlich den Eigenanteil von 100 Euro bezahlen: Ein Großteil der Schulen hat sich intern darauf geeinigt, von den Eltern nur 40 bis 60 Euro pro Jahr einzusammeln. Dieses Geld fließt in einen Lernmittelfonds, aus dem die Schule dann einen Teil der Bücher anschafft. Nach anfänglichen Streitigkeiten über die Legalität derartiger Fonds ist längst Ruhe eingekehrt.

„Rund 70 bis 80 Prozent der Schulen haben sich für solche Fonds entschieden“, schätzt Landeselternsprecher Schindler. Er hatte sich von Anfang an für dieses Modell ausgesprochen, um die Eltern zu entlasten. Und die Schulen machten nach und nach mit, weil sie dadurch selbst an Flexibilität gewannen.

„Wir fahren besser mit der jetzigen Lösung“, fasst Alexander Scharsich die Erfahrungen der vergangenen Jahre zusammen. Er ist Vize-Schulleiter der Schöneberger Sophie-Scholl-Schule, die sich ebenfalls frühzeitig für das Fonds-Modell entschieden hat. Dieses Modell habe auch den Vorteil, dass alle Schüler ihre Bücher direkt von der Schule ausgehändigt bekommen, so dass niemand bemerke, wer aufgrund der finanziellen Situation der Eltern die Bücher gestellt bekommt – und das sind berlinweit immerhin 40 Prozent der Schüler.

Obwohl das Verfahren sich inzwischen eingespielt hat, wäre Lichtenbergs Bildungsstadträtin Kerstin Beurich (SPD) froh darüber, wenn es die völlige Lernmittelfreiheit wieder gäbe. „Als Sozialdemokratin begrüße ich das“, betont sie. Ähnlich sieht das Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD). In seinem Bezirk sind rund 50 Prozent vom Schulbuchkauf befreit, in Nord-Neukölln sogar 70 bis 80 Prozent. Schimmang war von Anfang an gegen die Abschaffung der Lernmittelfreiheit – auch deshalb, weil Geringverdiener, die knapp über dem Sozialhilfesatz liegen, zur Kasse gebeten werden. Einig sieht er sich darin mit der CDU: „Wir waren schon immer gegen die Abschaffung“, sagt deren Bildungsexperte Saschau Steuer, der die neue Diskussion als typisches, rot-rotes Hin und Her bezeichnet. Auch seine FDP-Kollegin Mieke Senftleben vermisst Verlässlichkeit in der Bildungspolitik der Regierungskoalition.

Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren reagiert skeptisch auf die SPD-Pläne: „Ich fürchte, dass die Schulen weniger Geld bekommen als jetzt im Rahmen der Lernmittelfonds.“ Wolfgang Harnischfeger vom GEW- Schulleiterverband berichtet, dass er an seinem Gymnasium mit dem Fonds gut zurechtkomme. Dennoch begrüßt er den Vorstoß: „Bildung muss kostenlos sein.“

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