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Berlin: Letzter Warnschuss für den Kirchenstörer

Andreas Roy zerrt mal wieder schwer an den Nerven. Am Morgen erklärt er den Amtsgerichtssaal 107 zu seiner Bühne, zieht über die Kirchenleute her („Sektenführer in schwarzen Gewändern“), maßregelt die Richterin („Es ist rechtswidrig, was Sie da machen!

Andreas Roy zerrt mal wieder schwer an den Nerven. Am Morgen erklärt er den Amtsgerichtssaal 107 zu seiner Bühne, zieht über die Kirchenleute her („Sektenführer in schwarzen Gewändern“), maßregelt die Richterin („Es ist rechtswidrig, was Sie da machen!“) und geißelt den Rechtsstaat („Ihr Gesetz ist null und nichtig!“). Die Richterin schaut gequält, die Staatsanwältin zieht die Augenbraue hoch, die Gerichtsdiener schütteln genervt den Kopf – da besticht Roy, stadtbekannter Querulant, doch noch in seiner Argumentation: „Es ist belegt, dass ich alle Latten am Zaun habe!“

Was Roy (44) in absehbarer Zeit einen Aufenthalt im Gefängnis garantieren dürfte. Drei Mal ist der notorische Gottesdienststörer bereits zu Geldstrafen verurteilt worden, gestern entließ ihn das Gericht mit sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung – und einer Warnung: „In der dreijährigen Bewährungszeit darf keinerlei Straftat begangen werden!“ Dass die Aussicht auf Gefängnis Roy und seinen Mitstreiter Christian Arnold nicht schreckt, haben beide schon öfter kundgetan: „Jesus hat das für mich auch getan – bis zum Kreuz!“

Das klingt seltsam, hat laut psychiatrischem Gutachter aber keinen Krankheitswert. Auch, wenn der bärtige Sozialhilfeempfänger nervt: Roy brüllt Predigten nieder, beschimpft mal Bürgermeister Wowereit, mal Kanzler Schröder. Dann wieder reißt er in einer Ausstellung Kunstwerke von der Wand oder kappt den Weihnachtsbaum am Breitscheidplatz. Dass bei dieser Aktion am 17. Dezember ein Wachmann von der herabfallenden Tannenspitze leicht verletzt wurde, bezeichnet Roy als Unfall. Weniger Einsicht zeigt er, wenn es um Tanne und zersprungene Weihnachtskugeln geht. Als die Aktion auf Video vorgespielt wird, johlt der Angeklagte: „Na, Halleluja! Götzenteil!“

Fröhlich schiebt Roy seinen gewaltigen Bauch nach vorn. „Tut Buße!“, steht auf dem T-Shirt. Unter seinem Arm klemmt die Bibel, im Flur schon hat er Zettel mit religiösen Sprüchen verteilt. „Sehr, sehr lästig“, nennt die Richterin Roys Aktionen im Urteil, aber: „Wahnsinnig kriminell sind sie nicht.“ Deshalb bekommen die Angeklagten Bewährung – und müssen 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Die Justiz müht sich bislang mit der Taktik des Eichhörnchens, Roys Treiben Einhalt zu gebieten: Bei seinem vierten Prozess geht es wieder um nur zwei Vorfälle, doch die Staatsanwaltschaft verspricht Besserung: „Fünf weitere Verfahren werden derzeit bearbeitet“, sagt Justizsprecher Grunwald. Sie sollen nicht mehr „kleckerweise“, sondern in einem Prozess verhandelt werden. Dann droht Roy Gefängnis – wovor die Richterin ihn zum Abschied warnte.

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