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"Bitte links klingeln": Das Schild der "Kadterschmiede" am Eingang zum Haus in der Rigaer Straße 94.

© picture alliance/dpa

Update

Linksautonome „Kadterschmiede“: Berliner Landgericht schlägt Mietvertrag für Kneipe in „Rigaer 94“ vor

Die illegale Kneipe „Kadterschmiede“ beschäftigt seit Jahren die Justiz. Nun strebt das Gericht im Räumungsprozess einen Vergleich an. Aber es gibt Zweifel.

Das Landgericht Berlin will am 21. März über die Räumungsklage gegen die illegal betriebene Autonomenkneipe "Kadterschmiede" in dem teilbesetzten Haus Rigaer Straße 94 in Friedrichshain entscheiden. Alternativ hat das Gericht der Eigentümerin und dem Kadterschmiede-Verein einen Vergleich vorgeschlagen.

Demnach sollte der Verein einen Pachtvertrag mit der Eigentümerin schließen und künftig 650 Euro monatlich für Nutzung der Räume zahlen. Im Gegenzug könnte die Eigentümerin darauf verzichten, seit Jahren nicht gezahlte Miete nachträglich zu fordern.

„Das Ganze dauert – und es nervt“, sagte die Beisitzende Richterin Christiane Lange-Granert zu dem seit Jahren schwelenden Streit. Ursprünglich sollte die Klage bereits im April 2021 verhandelt werden, durch Befangenheitsanträge des Kadterschmiede-Vereins wurde dies hinausgezögert.

Es ginge darum, nach vorne zu gucken und Zeit, Geld und Nerven zu sparen, sagte die Richterin. Die Anwälte der Eigentümerin, eine Firma mit Sitz in Großbritannien, hatten Klage eingereicht. Sie wollen die Kneipe per Urteil räumen lassen. Das hindere beide Seiten aber nicht daran, „die Sache soweit voranzutreiben, dass am Ende gar kein Urteil mehr nötig ist“, sagte die Vorsitzende Richterin, Sabine Bünning.

Wie kann die britische Limited nach dem Brexit behandelt werden?

In der Sache selbst ist trotz mehrerer Prozesse inhaltlich bislang nicht über Räumungsklagen zur Rigaer 94 entschieden worden. Bislang ging es stets um die Frage, ob die Anwälte die britische Eigentümergesellschaft überhaupt vertreten können. Daran waren in den vergangenen Jahren Urteile zu Räumungsklagen gescheitert.

Andere Gerichte hatten dann 2021 die Vertretungsrechte der Anwälte angekannt – darunter in Eilverfahren das Kammergericht, das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht. Die Anwälte der Kadterschmiede bezweifeln jedoch weiter, dass die Firma und ihre Vertreter nach deutschem Recht ausreichend legitimiert sind.

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Für das Landgericht geht es auch um die Frage, ob und wie die britische Limited nach dem Brexit behandelt werden kann – und ob es sich um ein Unternehmen aus dem Ausland oder eine aus Deutschland gesteuerte und verwaltete Scheinauslandsgesellschaft handelt. Erst damit könnte beantwortet werden, ob und wie das Unternehmen die Räumungsklage erheben kann.

Ein Problem sei, dass der Zweck der britischen Gesellschaft allein das Haus in der Rigaer 94 sein könnte. Zudem brachte die Vorsitzende Richterin an, dass der Mann hinter dem verschachtelten Firmenkonstrukt ein in Berlin lebender Unternehmer sei, der eigentlich die Entscheidungen treffe. Das Eigentümeranwälte erklärten, das sei überhaupt nicht ungewöhnlich.

Mehr als ein Dutzend Räumungsklagen zur „Rigaer 94“ anhängig

Über den Vergleich wollen nun beide Seiten nachdenken. Die Eigentümeranwälte stimmten dem Vorschlag unter Vorbehalt bereits zu. Der Eigentümer habe stets versucht, normale Mietverhältnisse per Vertrag zu finden, für die Wohnungen sei eine Quadratmetermiete von 3,50 Euro angeboten worden. Dies sei jedoch an den Besetzern gescheitert. Die Kadterschmiede-Anwälte erklärten, der Verein werde den Vorstoß des Gerichts prüfen – und zwar "basisdemokratisch". Zudem müssten die anderen Räumungsklagen gegen die Rigaer 94 berücksichtigt werden.

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Es sind mehr als ein Dutzend, die derzeit am Amtsgericht Kreuzberg gegen Bewohner des Hauses vorliegen. In einem ersten Fall lässt ein Richter die Stellung der Eigentümergesellschaft und der Anwälte per Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht klären. Die Eigentümerin muss dafür 4000 Euro vorstrecken. Sollte das Institut die Einschätzung der Firmenanwälte bestätigen, könnte dies auch Folgen für die Räumungsklage gegen die Kadterschmiede haben.

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Sollten sich die Autonomen auf den Vergleich einlassen, würden sie auch die Eigentümerin und deren Anwälte anerkennen. Das haben sie bislang aber strikt vermieden und alle Verfahren damit bislang hinauszögern können. In einer Erklärung zu den Räumungsverfahren erinnerten die Bewohner an „auf Cops geworfene Steine“. Sie warfen dem Eigentümer vor, „das Haus mit einem großen Schlag“ angreifen zu wollen. Das Kadterschmiede-Verfahren sei „nur ein weiterer Termin in dem kontinuierlichen Angriff von Staat und Kapital, unser Haus und seine rebellischen Strukturen zu zerstören“. Der Konflikt sein ein „Abbild eines weltweiten Kampfes“.

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Das Haus mit rund 30 Wohnungen ist über die Grenzen Berlins hinaus ein Hotspot gewaltbereiter Linksextremisten. Die Bewohner reagieren auf Versuche von Polizei und Eigentümern, das Gebäude zu betreten, mit Gewalt – zuletzt war es im Juni 2021 zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Anlass war eine vom Eigentümer gerichtlich durchgesetzte Brandschutzprüfung.

Sollte das Landgericht im März ein Urteil verkünden, dürfte dies in die nächste Instanz zum Kammergericht gehen. Die Eigentümeranwälte erklärten am Rande der Verhandlung, die Bewohner der Rigaer 94 hätten bislang kein Interesse gezeigt, eine einvernehmliche Lösung mit dem Eigentümer zu finden – im Gegenteil. Der Hausverwalter und ein Anwalt seien angegriffen worden, Autos eines Gutachters in Brand gesetzt worden.

„Wir haben ein Interesse an vernünftigen Verhältnissen“, sagten die Anwälte. Bislang erziele der Eigentümer nur Verluste, nicht einmal die Betriebskosten seien gedeckt. Sollte sich der Berliner Unternehmer hinter dem Firmenkonstrukt zu erkennen geben, müsste er wie der Voreigentümer „mit Bedrohungen und unter Polizeischutz“ leben.

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