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Im Kreise seiner Fraktionskollegen von der AfD: Bernd Pachal bei der BVV in Marzahn-Hellersdorf.

© Ingo Salmen

Lob für Nazis, Leugnung des Holocausts: Berliner AfD-Politiker Bernd Pachal als Bundespolizist gefeuert

Er hatte Heydrich gelobt und antisemitische Positionen vertreten: Trotzdem war Bernd Pachal in der AfD willkommen – bis ein Gerichtsurteil öffentlich wurde.

Als Scharfmacher ist der AfD-Verordnete Bernd Pachal in der Bezirkspolitik von Marzahn-Hellersdorf nicht gerade aufgefallen. Als stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion kam er eher tapsig daher und trug selten Originelles zu den Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung bei. Oft ergriff Pachal am Ende einer langen Debatte das Wort und fasste noch mal zusammen, was andere auch schon gesagt hatten. Substanziell Neues war von ihm kaum zu hören, auf flüchtige Beobachter konnte er wie ein harmloser Zeitgenosse wirken.

Welche Einstellungen Pachal tatsächlich vertritt, leuchtet ein Urteil aus, mit dem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Anfang März letztinstanzlich ein Disziplinarverfahren gegen ihn abgeschlossen hat (hier der Wortlaut). Es endete für den AfD-Politiker mit der Entfernung aus dem Dienst als Bundespolizist - wegen "Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue, Leugnung des Holocausts, Kundgabe antisemitischer Äußerung und Verherrlichung führender Personen des NS-Regimes".

Mit Bekanntwerden der Entscheidung endete auch Pachals Arbeit in der AfD. Nazi-Sympathien ihrer Funktionsträger kommen der Partei gerade ungelegen, seit der "Flügel" in den Blick des Verfassungsschutzes geraten ist. Zuletzt führte das zum Rauswurf des brandenburgischen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz, der zahlreiche rechtsextreme Verbindungen in seiner Biografie aufweist. Auch im Fall Pachal ging es plötzlich schnell: Von der "Frankfurter Allgemeinen" auf den Richterspruch aufmerksam gemacht, beschloss der Berliner Landesvorstand am vergangenen Donnerstag einstimmig, ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten. Pachal wollte das nicht mitmachen - und trat mit sofortiger Wirkung aus der Partei aus.

Sein ganzes Leben hatte Pachal im Staatsdienst gearbeitet. Seinen Grundwehrdienst absolvierte er bei den Grenztruppen der DDR, danach wurde er Wachtmeister bei der Volkspolizei und wechselte in den Zentralen Projektierungs-, Bau- und Instandsetzungsdienst des DDR-Innenministeriums.

Nach der Wende übernahm ihn der Bundesgrenzschutz, erst als Angestellter, später als Beamter auf Lebenszeit. Von der Bundespolizei wurde er schließlich mehrfach zum Auswärtigen Amt abgeordnet, wo er an verschiedenen diplomatischen Vertretungen, etwa bei der EU in Brüssel, im Objektschutz eingesetzt war, zuletzt als Gruppenleiter.

„Es gibt nur zwei deutsche Großstädte, Berlin und Wien“

Es war ein Grillabend auf dem Gelände einer Deutschen Botschaft am 12. Juli 2012, der acht Jahre später zu Pachals Rauswurf führen sollte. Der Abend war noch nicht sehr weit fortgeschritten, es soll etwa 21.15 Uhr gewesen sein, als er im Kollegenkreis sagte: „Es gibt nur zwei deutsche Großstädte, Berlin und Wien.“ Zweimal leugnete Pachal an diesem Abend den Holocaust, wie Zeugenaussagen bestätigten.

[Der Autor dieses Artikels berichtet seit 2016 für den Tagesspiegel-Bezirksnewsletter über die AfD in Marzahn-Hellersdorf. Der Newsletter erscheint an jedem Dienstag. Sie können ihn hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Im Gespräch mit zwei Kollegen ging es zunächst um den arabischen Frühling, ein Bewässerungsprojekt des früheren libyschen Staatspräsidenten Gaddafi und darum, dass einzelne sinnvolle Projekte eines Staatsmannes Verbrechen nicht rechtfertigen könnten, heißt es im Urteil des Oberverwaltungsgerichtes. Hitler habe ja auch die Autobahnen gebaut, wandte einer der Kollegen ein, worauf Pachal erwiderte, Hitler sei zumindest gewählt worden.

Dann kam das Gespräch auf die Judenvernichtung. Hitler habe vor seiner Wahl auch nicht angekündigt, so viele Menschen umzubringen, hielt einer der Kollegen Pachal vor - worauf dieser sinngemäß antwortete: „hat er ja auch nicht gemacht“ oder „wenn das denn so stattgefunden hat“. Eine direkte Nachfrage, ob das eine Holocaustlüge bedeute, habe er bejaht.

Noch vor Gericht lässt Pachal Zweifel am Holocaust erkennen

Der zweite Kollege wollte es später noch einmal genau wissen und fragte Pachal allein, ob er wirklich glaube, dass der Holocaust nicht stattgefunden habe. Auch das soll Pachal bestätigt haben. Dass er den Gesprächsverlauf rückblickend anders darstellte, nahm ihm das Gericht nicht ab. Der Senat habe "keinen Anlass, an den ausführlichen und konsistenten Zeugenaussagen zu zweifeln", heißt es im Urteil des Oberverwaltungsgerichts. "Die Zeugen haben die Äußerung des Beklagten nach ihren übereinstimmenden Aussagen zweifelsfrei als Leugnung des Holocaust verstanden."

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in der Hardenbergstraße.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in der Hardenbergstraße.

© Thilo Rückeis

Mit seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht machte Pachal es nicht besser. "Wenn man so durch das Leben geht, hört man Zahlen wie 6.000.000 im Gas", sagte er noch am 20. November 2018, als er zu seinen Kenntnissen des Holocausts befragt wurde. "Man hört Zahlen zu den Einwohnern in Deutschland und dazu, wie viele davon jüdischen Glaubens waren. Das müssen so 1,1 Millionen Menschen gewesen sein."

Dass er sich zugleich vom Nationalsozialismus distanzierte und sich als Verteidiger der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgab, wertete das Oberverwaltungsgericht als "ein verfahrensangepasstes Lippenbekenntnis".

Nazi-Lob und Antisemitismus in der Dienstwohnung

In seinem Auslandseinsatz im Sommer 2012 gab sich Pachal öfters ganz unverblümt. "Heute gibt es doch keine starken Politiker mehr - Himmler und Goebbels, das waren noch starke Männer", sagte er, als das Fernsehen über Kanzlerin Angela Merkel berichtete und ein Kollege anmerkte, sie habe viele Konkurrenten "abgesägt". Bei anderer Gelegenheit ließ Pachal in der Dienstwohnung die Bemerkung fallen, der geografische Osten sei gar nicht dort, wo sein Kollege ihn sehe, "da die deutsche Ostgrenze nie anerkannt wurde".

Bei einem Restaurantbesuch merkte Pachal an: "Deutschland ist und war fast immer fremdbestimmt, es gab nur einmal gut 10 Jahre, wo wir es nicht waren." Und in einem Gespräch über Bauarbeiten in der Deutschen Botschaft in Washington sagte er sinngemäß: "Kann ja nichts werden, das hat ja auch ein Jude gebaut".

Eine Unterschrift für Horst Mahler bestreitet Pachal

Im Laufe des Disziplinarverfahrens kamen weitere Äußerungen zum Vorschein, die die Bundespolizei ihrem Beamten zum Vorwurf machte. Seit Juli 2010 steht in dem Blog "Für Gott, Kaiser und Vaterland" ein Eintrag, in dem Pachal sich über das Amt des Bundespräsidenten lustig macht und "den GG-Liebhabern" empfiehlt, es durch den Kaiser zu ersetzen: "Das erspart uns den peinlichen Wahlzirkus." Das Fernsehen könnte dann auch deutsche Adelshochzeiten live übertragen, spottete Pachal. "Die Hohenzollern sind gebildet, staatsmännisch geschult. Das ist allemal besser als dazumal diese dahergelaufene Schnapsnase Parteisoldat Rau, wie peinlich." Das Oberverwaltungsgericht ließ das noch als Satire durchgehen.

Während Pachal zu diesem Blog-Beitrag steht, bestreitet er, am 23. Dezember 2010 die Petition "The freedom fighter for Mr. Dr. Horst Mahler" unterschrieben zu haben, in der die "sofortige Freilassung" des Rechtsextremisten und Holocaustleugners "aus den menschenverachtenden Nazi- und Stasi-Knästen in der abzuschaffenden BRD" gefordert wird. Dass Pachal den Text tatsächlich unterzeichnet hat, konnte ihm das Gericht nicht nachweisen.

Bei Facebook verlinkte er "Mein Leben mit Reinhard"

Seit einem Tagesspiegel-Bericht vom Dezember 2016 ist allerdings eine weitere Äußerung Pachals bekannt, die nun zu seiner Entlassung beitrug. In einem Facebook-Eintrag vom 26. Januar desselben Jahres hatte er "die kluge Politik des Reichsprotektors Reinhard Heydrich" in der damaligen Tschechoslowakei gelobt. "Dieser stellte schon vom ersten Moment an die Weichen richtig."

Heydrich ist als "Schlächter von Prag" in die Geschichte eingegangen, als Chef des Reichssicherheitshauptamtes und Organisator der Wannsee-Konferenz zur "Endlösung der Judenfrage". Pachal kam zu einem ganz anderen Urteil über den Top-Nazi. "Heydrich", schrieb er, "war beliebt." Die Tschechen seien "erst verhalten, später dankbar bis begeistert" gewesen.

"Heydrich war beliebt": Bernd Pachal bei Facebook über den "Schlächter von Prag".
"Heydrich war beliebt": Bernd Pachal über den "Schlächter von Prag".

© facebook.com/KeineAlternativeFuerBerlin

Im Diziplinarverfahren verteidigte Pachal sich damit, es handle sich um eine "lediglich zusammenfassende" Stellungnahme in einem längeren Gesprächsverlauf, in dem er sich zuvor von den Verbrechen des Nationalsozialismus distanziert habe. Nur konnte er diese Behauptung nicht konkretisieren.

Vielmehr bekam das Oberverwaltungsgericht auch hier den "Eindruck eines nachgeschobenen Lippenbekenntnisses" und schloss auf eine "Identifizierung" mit der Politik Heydrichs. Pachal äußere sich "uneingeschränkt positiv" darüber und ergreife "sichtbar Partei", wenn er von "befreiten" Sudetendeutschen und "alliierter Propaganda" schreibe, die ein anderes Bild gezeichnet habe. Außerdem habe er das Buch "Mein Leben mit Reinhard" verlinkt - die persönliche Biografie von dessen Ehefrau Lina.

Erfolglos machte Pachal bei dem Facebook-Eintrag geltend, sein Arbeitgeber habe sich nicht um die Aufklärung des Zusammenhangs gekümmert. Sowohl der vollständige Text des Facebook-Eintrags, als auch der Tagesspiegel-Artikel seien Bestandteil der Disziplinarakte, stellte das Oberverwaltungsgericht fest. Ein Zugriff auf die geschlossene Gruppe sei der Bundespolizei nicht möglich und auch nicht aussichtsreich gewesen, nachdem Pachal selbst die Löschung seiner Beiträge dort veranlasst habe.

Gericht bescheinigt Pachal „Affinität zum Nationalsozialismus“

In der Summe aller Äußerungen bescheinigte das Oberverwaltungsgericht Pachal eine "Affinität zum Nationalsozialismus, zum NS-Staat und dessen Repräsentanten". Dass er sich wiederholt entsprechend einließ und das 2016 bei Facebook sogar noch trotz des laufenden Disziplinarverfahrens tat, werteten die Richter als Bestätigung für eine verfestigte Ideologie.

Acht Jahre dauerte es trotzdem, bis Pachal aus dem Dienst bei der Bundespolizei entfernt war. Die Staatsanwaltschaft stellte in dieser Zeit zwei Ermittlungsverfahren ein - zuerst 2012, weil die Äußerungen in den Gesprächen mit den Kollegen nicht öffentlich erfolgt waren, dann 2017 auch zum Facebook-Eintrag aus bisher unbekannten Gründen.

AfD Marzahn-Hellersdorf: Solidarität mit Höcke und Kalbitz

Bis zu der letztinstanzlichen Entscheidung konnte die AfD mit ihrem Mitglied Pachal gut leben. Der "Frankfurter Allgemeinen" zufolge erklärte der Landesverband zwar, von dem Verfahren und den Gerichtsurteilen nichts gewusst zu haben. Allerdings ist das Heydrich-Lob genauso seit Jahren bekannt wie andere antisemitische und verschwörungstheoretische Positionen Pachals, über die der Tagesspiegel schon im Oktober 2016, kurz nach der Berlin-Wahl, berichtet hatte. Unter anderem hatte er die Lektüre des Buches "Der Streit um Zion" des Holocaustleugners Douglas Reed empfohlen.

Der Fraktionsvorstand der AfD Ende 2016: Bernd Pachal zwischen dem damaligen Vorsitzenden Rolf Keßler (links) und Werner Wiemann.
Der Fraktionsvorstand der AfD Ende 2016: Bernd Pachal zwischen dem damaligen Vorsitzenden Rolf Keßler (links) und Werner Wiemann.

© Ingo Salmen

Bei der AfD in Marzahn-Hellersdorf war Pachal trotzdem gut aufgehoben. Schon im Bundestagswahlkampf 2017 hatte sie "Flügel"-Chef Björn Höcke eingeladen, später verteidigte sie ihn gegen den drohenden Parteiausschluss. Erst vor zwei Wochen veröffentlichte sie bei Facebook auch eine Solidaritätsadresse für Kalbitz. "Wir lehnen Spaltungsbestrebungen, ob von innen oder von außen, gleichermaßen ab", hieß es in dem Eintrag. "Andreas, wir stehen fest an Deiner Seite."

Kritik am Heydrich-Lob? Für die AfD eine „Schmutzkampagne“

Der SPD-Verordnete Dmitri Geidel forderte die AfD bereits Ende 2016 dazu auf, sich von Pachal loszusagen. Die Fraktion in Marzahn-Hellersdorf distanzierte sich wenig später auch "ausdrücklich und vollumfänglich" von Pachals Äußerungen bei Facebook, wie der Vorsitzende Rolf Keßler seinerzeit in einer schriftlichen Erklärung mitteilte. "Diese undifferenzierten Aussagen entsetzen uns und waren uns bisher nicht bekannt."

Das Bekenntnis hielt allerdings nicht lange. In der nächsten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung sprach der Verordnete Werner Wiemann im Januar 2017 von einer "Schmutzkampagne" gegen Pachal, nannte Kritik an ihm "dreiste Unterstellungen" und "Hasspropaganda". Am 4. Mai 2020 wählte die AfD-Fraktion Wiemann zu ihrem Vorsitzenden - und bestätigte Pachal als Stellvertreter.

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