zum Hauptinhalt
Mit den Songs ihres neuen Albums „Im Namen der Liebe“ setzt sich Marianne Rosenberg gegen Ausgrenzung ein.

© Silas Stein/dpa

Marianne Rosenberg und ihr neues Album: Eine Freundin gegen den Hass

An ihrem 65. Geburtstag trat Marianne Rosenberg in Kreuzberg auf und präsentierte ihr neues Album. Eine Party mit Hits, Glitzerfäden - und einer Homohochzeit.

Höflichkeit beim Warten auf's Taxi, Zusammenhalt gegen eine Demütigung am Fahrstuhl, schnelle Hilfe in einer gefährlichen Situation: Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und religiöser Identität stehen füreinander ein, zeigen Solidarität und Hilfsbereitschaft.

Das Video des Titelsongs „Im Namen der Liebe“ auf Marianne Rosenbergs neuem Album ist eine klare Botschaft gegen Ausgrenzung und Diskriminierung und für ein gelebtes Miteinander. Mit den zwölf neuen Songs auf diesem Album, das am Freitag bei Telamo erscheint, begeht Rosenberg in diesem Jahr auch ihr 50. Bühnenjubiläum.

Pop-Schlager für die queere Community

Und die in Charlottenburg lebende Sängerin hat in dieser Woche noch mehr Grund zum Feiern: Am Dienstag wurde Rosenberg 65 Jahre alt und lud aus diesem Anlass ins Kreuzberger Lido, um ihr neues Album vorzustellen und daraus in einem schwarzen Sakko mit langen roten Glitzerfäden an den Ärmeln das Stück „Hallo mein Freund“ zu präsentieren.

2019 wurde schon die Singleauskopplung „Wann (Mr. 100%)“ veröffentlicht, ein temperamentvolles Pop-Schlager-Stück. Es erinnert, von modernem Dancefloor-Sound getragen, an Rosenbergs große Hitsingle „Er gehört zu mir“ von 1975, mit der Rosenberg zum Star der Schwulen- und Lesbenbewegung wurde. „Es war für mich stets ein Ritterschlag, neben Größen wie Marlene Dietrich, Kylie Minogue oder Madonna verehrt zu werden, da man das in dieser Szene unmöglich erzwingen kann“, sagt Rosenberg.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Im Video, das im Lido ebenfalls gezeigt und ausgiebig beklatscht wird, spielt die Sängerin nicht nur augenzwinkernd mit dem Image der Schwulen-Ikone, sondern setzt mit einer romantisch-ausgelassenen Männerhochzeit ebenfalls ein klares Signal für eine offene, tolerante Gesellschaft.

Aufgenommen wurden die teilweise zusammen mit ihrem Sohn Max komponierten Songs in den Kreuzberger Hansa-Studios in der Köthener Straße, die ihren großen Ruhm Künstlern wie David Bowie, Iggy Pop, Depeche Mode, Nick Cave und U2 zu verdanken haben.

[Wer noch mehr über queere Themen erfahren will: Der Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel erscheint monatlich, immer am dritten Donnerstag. Hier kostenlos anmelden]

Es ist für Rosenberg eine Reise zurück zu ihren Wurzeln: In den 1970er Jahren hatte die in Lankwitz geborene Künstlerin hier ihr erstes Studioalbum aufgenommen. Für sie schließe sich mit den neuen Songs musikalisch ein Kreis, erzählt Rosenberg im Lido, nachdem die Gäste ihr zunächst ein inbrünstig gesungenes Geburtstagsständchen gemacht hatten.

Und wo sie vielleicht mit 70 Jahren stehe, darauf sei sie selbst sehr gespannt. „Ein Mensch sollte einfach bis zum Schluss das tun, was er liebt. Und stolz auf sein Alter sein. Nur, wenn die Alten versuchen, jung zu sein, dann ist dies eine Verzweiflung“, sagt Rosenberg und fordert das Ende gesellschaftlicher Altersdiskriminierung. „Wir sind nämlich nicht nur cool, wir haben auch das meiste Geld!" betont sie, und die Gäste im Lido zwischen 20 und 60 Jahren jubeln ihrer Marianne zu. Vor allem, als sie noch hinzufügt: „Eine Frau meines Alters ist schließlich Bundeskanzlerin - da kann ich wohl locker das bisschen Musik machen!“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Rosenbergs musikalische Wurzeln reichen weit zurück in ihre Kindheit. In ihrer inzwischen vergriffenen Autobiografie „Kokolores“, erschienen im List-Verlag, erzählt sie zu Beginn, wie ihr Vater sie schon als Fünfjährige mit in die verrauchten Berliner Kneipen genommen hat, und wie sie dort auf den Tischen stand und gesungen hat. Der Vater hatte Tränen in den Augen, denn Mariannes Stimme erinnerte ihn an die seiner Mutter, die kurz nach dem Krieg gestorben war.

Schon als Kind stand sie auf der Bühne

Die Kneipen-Szenen muten weniger befremdlich an, weiß man um den familiären Hintergrund der Familie Rosenberg: Zwar hat die Sängerin sich immer dagegen gewehrt, dass dieser in der Öffentlichkeit mit ihrer Person in Verbindung gebracht wird. Doch manches wie Rosenbergs gesellschaftspolitisches Engagement für Geflüchtete, ihre musikalischen Plädoyers für eine Welt ohne Rassismus und Hass oder eben ein Vater, der aus unaussprechlichem persönlichem Leid sein Kind zum Singen animiert, sind erst dann wirklich zu verstehen: Rosenberg ist nicht nur in einer Künstlerfamilie groß geworden, sie ist auch Sintiza.

Ihr Vater engagierte sich für die Rechte der Sinti und Roma

Der 2001 verstorbene Vater Otto Rosenberg, langjähriges Vorstandsmitglied des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, hat Auschwitz überlebt, ein Teil der Familie ist im Konzentrationslager ermordet worden. „Mein Vater hat mir immer geraten, mit dem Herzen zu singen, um mit meiner Musik die Menschen zu berühren", erzählt Rosenberg im Lido. Wenn ihr dies bei ihren Konzerten gelinge, sei das für sie der größte Erfolg.

Das Singen und die Musik gehören also schon von klein auf zu Rosenbergs Leben. Mit 14 Jahren gewann sie mit einem italienischen Lied vor rund hundert Zuschauern einen Gesangswettbewerb im neuen Romanischen Café im Europa-Center, kurz darauf nahm Rosenberg ihre erste Platte „Mr. Paul McCartney“ auf, die zu einem kleinen Hit wurde.

Sie war mit Rio Reiser befreundet

In den 1970er Jahren avancierte sie unter anderem auch mit dem Lied „Marleen“ zu einem der erfolgreichsten Schlagerstars Deutschlands, brach dann aber einige Jahre später mit diesem Image. Rosenberg wurde trotz der High Heels, die sie immer noch gern trug, unangepasster, punkiger und freundete sich in den 1980er Jahren unter anderem mit Rio Reiser von Ton Steine Scherben an und nahm Songs wie „Duo Infernal“ mit Extrabreit auf.

In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte sie mehrere Alben, Lieder zu Fernsehserien und englischsprachige Songs, entdeckte Chansons und den Jazz und nahm 2014, obwohl sie sich zuvor vehement gegen solche Shows ausgesprochen hatte, als Jurorin an der elften Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ teil.

Als Jurorin bei DSDS

Damals erklärte sie ihren Sinneswandel gegenüber dem Tagesspiegel so: „Angetreten bin ich, weil der Sender mir vermittelt hatte, dass er sein Konzept ändern möchte, dass die Kandidaten mehr Selbstbestimmungsrechte bekommen und die Jury nicht nur urteilen, sondern auch beraten und fördern soll.“

Zu den zwölf Liedern auf ihrem 22. Studioalbum hat Rosenberg die Texte wie seit den 1980er Jahren, als Rio Reiser sie dazu ermutigte, ihren eigenen sprachlichen Ausdruck zu finden, selbst geschrieben. Die meisten davon drehen sich um das Thema Liebe in all seinen Facetten. Und wie schon bei ihren größten Hits dürften der Ohrwurmcharakter und das alle zwischenmenschliche Barrieren Überwindende ihrer Songs wieder zum typischen Rosenberg-Phänomen führen: dass sich nämlich so mancher, der eigentlich mit deutschsprachigem Schlager-Pop gar nichts anfangen kann, beim Mitsingen ertappt.

Eva Steiner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false