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Mauerfall-Jubiläum: Freude, Skepsis und die Mauer aus Schokolade

Was Zeitungen von China bis Kanada berichteten

Die Titelseite der „Washington Post“ schmückt am gestrigen Dienstag ein großes Foto vom restaurierten Todesstreifen an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße, darüber die Zeile: „20 years later, still bridging the divide“, sinngemäß: 20 Jahre danach arbeiten sie immer noch daran, die Trennung zu überwinden. Die malaysische Zeitung „Malaysian Mirror“ berichtet mit Fotos von den Styroporsteinen am Brandenburger Tor von den „Menschenmassen, die den Fall der Mauer feiern“. Auch der französische „Figaro“ präsentiert seinen Lesern Fotos vom Fest am Brandenburger Tor, dazu die Überschrift: „Berlin célèbre un ’Jour de fête‘“ – Berlins Feiertag. Und die kanadische Zeitung „Globe and Mail“ zeigt ihren Lesern zur Erinnerung die eigene Titelseite vom 10. November 1989 mit der Schlagzeile: „Berlin wall opens“.

Rund um die Welt berichteten am Montag und Dienstag Zeitungen, Sender und Internetnachrichtenseiten von den Berliner Feiern zum Mauerfalljubiläum. Für viele Medien war es der Abschluss einer Reihe von Berichten aus Berlin und Deutschland, in denen sie in den vergangenen Tagen die Bedeutung des historischen Tages vermittelt hatten. So hatte der Europakorrespondent der „Globe and Mail“, Doug Saunders, seinen kanadischen Lesern in einer Artikelserie aus Leipzig, Warschau und von der ungarisch-österreichischen Grenze beschrieben, was dort vor rund 20 Jahren passierte und zum Fall der Mauer führte.

Neben den Berichten über Jubel, Euphorie und die Feierlichkeiten in der Mitte des einst geteilten Europas gab es aber auch skeptische Einschätzungen zum Stand der deutschen Einheit und zum Abbau internationaler Spannungen. So schreibt Li Hongmei in der Pekinger Zeitung „People’s Daily“, mit dem Fall der Mauer seien „die psychologischen Grenzen oder die in den Köpfen der Menschen tief verwurzelten Vorurteile“ nicht völlig beseitigt worden. „Wenn Westdeutsche sich immer noch beklagen, dass Menschen aus dem Osten faul seien, während die Ostdeutschen kritisieren, die Menschen aus dem Westen seien ein habgieriger Haufen, wenn sie zwar physisch vereint, mental aber uneins sind, wird die Berliner Mauer, wenngleich unsichtbar, immer zwischen ihnen bleiben und die Realität beeinflussen.“

Freudiger ist der Ton bei Deutschlands östlichem Nachbarn. Unter der Überschrift „Alles gute, teure Freunde“ gratuliert Jaroslaw Kurski, stellvertretender Chefredakteur der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ den Deutschen. Die Warschauer Zeitung „Rzeczpospolita“ begrüßt, „dass Deutschland, wie die Montagsfeiern zeigten, diesen Glanz mit Polen ein wenig teilt. In Anwesenheit wichtiger Gäste aus vielen Ländern und vieler Journalisten stieß Lech Walesa den ersten Dominostein an bei der Aktion, die die Überwindung des kommunistischen Systems symbolisierte. Es war Polen, das die Ereignisse einleitete, die zu einer Welt ohne die DDR geführt haben.“

Manche ausländische Beobachter blickten ungeachtet der Freudenfeier kritisch in die Zukunft, so die italienische Zeitung „La Repubblica“: „Bei den ausgiebigen Feiern des Mauerfalls war es nicht zu vermeiden, auch auf das vor unseren Augen liegende Jahr 2009 zu schauen. Während das Ende des realen Kommunismus gepriesen wurde, brachten uns die vor dem Brandenburger Tor versammelten Präsidenten und Minister mit ihrer Präsenz auch die Krise des freien Kapitalismus in Erinnerung, der vor 20 Jahren der unstrittige und unzerstörbare Sieger zu sein schien. Es ist eine teils kontrollierte, noch nicht bewältigte Krise, die das triumphierend vorherrschende Denken vom November 1989 erschüttert hat.“

Unter dem Strich dominierten gestern aber die positiven Bilanzen. Manchmal auch aus ungewöhnlicher Perspektive: So berichtet der Wiener „Standard“, dessen Titelseite am Dienstag ein Foto des gestürzten Kameramanns neben den Styropor-Mauersteinen am Brandenburger Tor ziert (siehe Fotos unten), von dem Pariser Chocolatier Patrick Roger, der zur Feier des Tages eine 15 Meter lange und 900 Kilogramm schwere Schokoladenmauer gebaut hat. Lars von Törne

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