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Adel berichtet (37): Mein Freund, der Baum

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Stinkesauer bin ich, wie hier im Blatt die Kollegen völlig verantwortungslos den guten Ruf von Innensenator Frank Henkel ruinieren. Klar ist das ärgerlich, dass der Verfassungsschutz Akten vernichtet hat. Aber Henkel hat mir erst gestern bei einer Partie Minigolf glaubhaft versichert, dass er bei der Aufbereitung der Dokumente für den Landesarchivar einfach nur den Reißwolf mit dem Laminiergerät verwechselt hat. Außerdem ging es in den Unterlagen ohnehin nur um ein paar verdächtige Bands aus der Rechtsrockszene. Und mal ehrlich: Die sind doch ohnehin alle bei MySpace.

Wobei ich diesen Internetkram ja auch für extrem überschätzt halte, seit mein Jungdackel Taxi mir letzte Woche eine Fanseite auf Facebook eingerichtet hat und ich inzwischen nicht mal mehr meiner Mutter gefalle. Zwischendurch war Taxi so verzweifelt, dass er dem Volontär die Kreditkarte geklaut hat, um mir bei Ebay 200 Fans zu kaufen. Nur blöd, dass die alle am nächsten Abend bei mir vor der Tür standen, um ihrem neuen besten Freund den Weinvorrat zu plündern. Und ich rufe noch: „Das ist ein 98er Brunello, der kann doch gar nicht atmen, wenn man ihn aus dem Bauchnabel trinkt!“

Um nach dieser Niederlage auf andere Gedanken zu kommen, sind Taxi und ich dann zum Start der Aktion „Stadtbäume für Berlin“ gefahren. Hier können Bürger 500 Euro spenden, für die dann jeweils ein Baum gepflanzt wird. Klar, dass wir dabei sind! Doch als Stadtentwicklungssenator Michael Müller feierlich das Tuch von unserem Stadtbaum zieht, folgt die Ernüchterung: von wegen Baum – Bäumchen! Der Stamm ist kaum dicker als Taxis Hals – wie soll da die Bronzeplatte mit unseren Namen dranpassen? Und viel schlimmer: Statt eines in Dackelform gestutzten Buchsbaums präsentiert uns Müller eine schnöde Esche. Taxi jault vor Enttäuschung, schließlich musste er eine Stunde lang die Luft anhalten, als wir den Wachsabdruck für die Gipsvorlage gemacht haben. Ist die etwa weggekommen? Müller gibt sich ahnungslos. Taxi versucht inzwischen, den Baum wieder auszugraben, aber Müllers Personenschützer halten ihn zurück. Sicherheitshalber lege ich ihm die Kette an, wäre ja schade um den Senator.

Um Taxi zu beruhigen, habe ich ihm dann später in der Redaktion alle 8000 Seiten vom neuen Baumkataster ausgedruckt. Er hat da wohl irgendeine Wette in der Hundeschule laufen. Auf jeden Fall sitzt er seitdem am Schreibtisch und macht Häkchen hinter dutzende Bäume. Keine Ahnung, was das soll ...

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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