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Berlin: Menschen, Tiere, Moessinger

Der Eröffnungsfeier gaben zwei Elefanten ihre eigene Note. Das Lampenfieber drückte ihnen offenbar auf die Blase, weshalb sie sich während ihres Auftritts in der neuen Arena - platsch - erleichterten, vor über dreitausend Augenpaaren.

Der Eröffnungsfeier gaben zwei Elefanten ihre eigene Note. Das Lampenfieber drückte ihnen offenbar auf die Blase, weshalb sie sich während ihres Auftritts in der neuen Arena - platsch - erleichterten, vor über dreitausend Augenpaaren. Es floss am Samstagabend nicht nur Sekt und Bier in Strömen bei der festlichen Eröffnung des Neuen Tempodroms am Anhalter Bahnhof.

Festliche Stimmung lebt von der Erwartung, und die wiederum von der Steigerung. Die Tempodrom-Macher zogen die Schraube der Reize langsam, Umdrehung für Umdrehung fester. Zunächst bescherten sie den Gästen der Gala einen unterkühlten Empfang, ließen sie bis Punkt 20 Uhr auf der zugigen Asphaltfläche vor dem Haupteingang warten. Kindliche Zaungäste zündeten ein paar Silvesterknaller, die zwischen den beiseite geschobenen Schutthügeln unbeachtet verpufften - Feierlichkeit auf kleiner Flamme. Aber auch das Tempodrom, mit dem sich Irene Moessinger 1980 ihren Zirkustraum erfüllte, hat mal klein angefangen. Jetzt ist es erwachsen geworden. Die Planen des Zirkuszeltes sind nun in Beton gegossen, für eine Ewigkeit.

Das Publikum, dass endlich ins Innere durfte, wusste den massiven Bau zu schätzen, der wohligen Wärme wegen. Es war der Abend des gepflegten Zwirns und des edlen Garns. Eine solche Ansammlung von Abendgarderobe, die sich im Foyer drängte, hatte es im alten Tempodrom wohl nie gegeben. Und so viel - vor allem lokale - Politprominenz auch nicht. Walter Momper, Klaus Wowereit, Adrienne Goehler, Peter Strieder ... Ganz ohne kulturellen Anarchismus ging es trotzdem (oder gerade deswegen) nicht. Antje Vollmer, grüne Bundestagsvizepräsidentin, entfuhr ein: "Das hätte ich jetzt nicht erwartet", als ihr ein leichenblass geschminkter Livreeträger roten Wein aus einer grünen Gießkanne einschenkte - ein unschuldiges Bild von geradezu genialisch-politischer Bösartigkeit.

Es war der Abend der Irene Moessinger. Im weißen Kleid schwebte sie in die 37 Meter hohe Hauptarena, deren Dimensionen zuvor schon Elefanten, ein Ballett auf Stelzen und ein fliegender Saxophonspieler auskosten durften. Die Tempodrom-Chefin strahlte, ein Mädchen, dass sich freut, in seinem eigenen Traum zu stehen. Um sie herum ein afrikanischer Chor, ein rumänisches Zigeunerorchester, französische Luftakrobaten. Ein Regen aus Konfetti, Luftschlangen und Funken ging auf sie nieder - und alle Augen der über 3000 Gäste waren auf sie gerichtet. Und viele guten Wünsche.

Buddhistischer Segen

Ein buddhistischer Mönch bat: "Mögen die Göttinnen und Götter immer auf die Menschen im Tempodrom aufpassen." Und Nina Hagen - "Neben den Elefanten und Romy Haag eine weitere Säule des Tempodroms." (Irene Moessinger) - sang und tanzte den Segen des Elefantengottes auf das Tempodrom nieder. Barfüßig. Dabei bemüht, nicht in die nasse Hinterlassenschaft seiner irdischen Verkörperungen zu treten. Auch Romy Haag machte ihre ganz eigenen Erfahrungen mit Dickhäutern: Sie ritt in die Arena auf den Stoßzähnen eines Elefanten - und fiel dem Regierenden Bürgermeister direkt vor die Füße.

Die politischen Wünsche wirkten bodenständiger als die religiösen Segnungen aus Fernost. Klaus Wowereit, dem die herbstliche Koalitionskrise um die steigenden Baukosten des Tempodroms noch in den Knochen steckte, meinte: "Ich hoffe, dass das Tempodrom eine Erfolgsgeschichte wird." Es klang wie eine schmallippige Drohung, doch wurde sie mit einem so breiten Lächeln vorgetragen, dass niemand zweifelte: Der Regierende mag das Tempodrom. Auch der Berliner SPD-Chef Peter Strieder mag das Tempodrom, die "Stadtkrone".

Ob das die Berliner, und besonders die Besucher des alten Tempodroms, ähnlich sehen werden, bleibt abzuwarten. "Ein tolles Gebäude", finden irgendwie alle. Aber auch etwas ganz anderes, als das alte Zelt. "Hoffentlich kommt die nichtkommerzielle Kultur hier nicht unter die Räder, bei dem Zwang, die Schulden zurückzuzahlen," sagt Angelika, die ihren Nachnamen nicht nennen mag und seit 1990 regelmäßige Tempodrom-Besucherin ist. Na wenigstens wird im Sommer kein Kondenswasser mehr vom Zeltdach tropfen, sagt ein anderer. "Das hier ist ein neuer, schöner Veranstaltungsort", sagt Ralf Thomsen. "Doch das alte Tempodrom ist tot. Schade, ich mochte das Zelt".

Festakte haben ihre eigenen Regeln, Regeln, die Tempodrom-Liebhaber nicht gerne akzeptieren. Und so war es gegen 23 Uhr, als sich die Abendgarderobe nach und nach trollte und Platz machte für Jeans und Pulli - das Tempodrom fand langsam sein angestammtes Publikum wieder, an diesem Abend jedenfalls.

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