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Auch eine Kirche gibt es in der JVA Tegel

© imago images/Jürgen Ritter

Michael S. verklagte das Land Berlin: Bekannter Verbrecher von Tegel ist tot

Die Hälfte seines Lebens saß Michael S. im Gefängnis. Vor zehn Jahren hatte er wegen der Verhältnisse in Tegel das Land Berlin verklagt. Nun ist der Gewalttäter gestorben.

Schwierige Fälle gibt es viele in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Doch Michael S. stach immer hervor. Nun ist er mit 61 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Die Justiz bestätigte entsprechende Informationen von Mitgefangenen. Wie es hieß, kam er am 14. April ins Haftkrankenhaus, in der Nacht zum 17. April wurde er noch in eine Berliner Klinik verlegt. Dort starb er wenige Stunden später.

Über diesen Gewalttäter lassen sich viele Geschichten erzählen. Jahrelang beklagte er, dass er von der Justiz „vergiftet“ werde, nämlich mit Staub in seiner Zelle. Als er 2013, nach mehr als zehn Jahren Strafhaft, die Sicherungsverwahrung antreten musste, verklagte er das Land Berlin bis vor das höchste Berliner Gericht wegen seiner Unterbringung – und verlor.

Mehr als die Hälfte seines Lebens hat Michael S. in Gefängnissen gesessen, hieß es in der JVA. Zuletzt war er im Jahr 2000 zweifach verurteilt worden: Im März erhielt er vor dem Landgericht Erfurt wegen „Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei im Zustand verminderter Schuldfähigkeit“ achteinhalb Jahre. Im Oktober desselben Jahres wurden gegen ihn in Berlin ebenfalls wegen Körperverletzung viereinhalb Jahre plus anschließende Sicherungsverwahrung verhängt. Ein Gericht bildete daraus eine Gesamtstrafe von zehn Jahren.

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Sicherungsverwahrung ist eine „Haft nach der Haft“ für besonders gefährliche Täter. Da S. noch andere Strafen absitzen musste, trat er erst 2012 die Sicherheitsverwahrung in Brandenburg an. Am 13. März 2013 wurde er in die JVA Tegel verlegt.

Drei Monate später verklagte er das Land Berlin. Am 19. Juni ließ S. seinen Verteidiger beantragen, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung wegen der aus seiner Sicht verfassungswidrigen Vollzugssituation für unzulässig zu erklären. Für das Land Berlin mehr als heikel: Denn 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Unterbringung bei Sicherungsverwahrung neu zu regeln sei. Die Insassen müssten mehr Platz bekommen, mindestens 20 Quadratmeter, und mehr Abstand von den „normalen“ Gefangenen. Insgesamt müssten die Bedingungen besser sein, befanden die Richter in Karlsruhe. 

Doch Berlin war in Verzug. Sicherungsverwahrte waren damals noch in einem Uralt-Bau in Tegel untergebracht, in dem auch normale Gefangene saßen. Das neue Haus war zwar im Bau, aber nicht fertig. Im November des Jahres war es einem anderen Gewalttäter gelungen, sich aus der Sicherheitsverwahrung zu klagen. In der Berliner Justiz war der Druck entsprechend hoch. Doch die damalige Justizsenatorin hatte Glück: S. scheiterte erst vor dem Landgericht, dann auch in letzter Instanz vor dem Berliner Kammergericht.

Die Gerichte akzeptierten die Logik der Berliner Justizverwaltung, dass Sicherungsverwahrte jeweils zwei kleine Zellen in dem Altbau hatten. Dass die beiden Zellen nicht miteinander verbunden waren und „Strafer“ im gleichen Haus eingesperrt waren, spielte letztlich keine Rolle. Im Urteil hieß es: „Den Sicherungsverwahrten steht mit zwei Hafträumen eine doppelt so große Wohnfläche zur Verfügung wie Strafgefangenen, und die Gemeinschaftsküchen für die Sicherungsverwahrten sind wesentlich besser ausgestattet als diejenigen der Strafgefangenen.“

Außerdem hatte die Justizverwaltung weiter argumentiert: „Es wurden Freizeitgruppenangebote ausschließlich für Sicherungsverwahrte geschaffen, z.B. eine Kochgruppe, Gartengruppe, Fotogruppe, Medienkompetenzgruppe, eine Musikgruppe ist im Aufbau.“

Musikunterricht vom Puhdys-Bassisten

Von letzterer profitierte Michael S. derart, dass ihn sogar viele Menschen in Freiheit beneidet hätten: S. hatte das Privileg, vom Puhdys-Bassisten Peter Rasym unterrichtet zu werden. „Bimbo“, wie sich Rasym selbst nannte, kam dazu einmal die Woche in die Anstalt. Ursprünglich war es ein Gruppenunterricht, doch die anderen hatten bald die Lust verloren. So hatte S. den bekannten Musiker für sich alleine.

2014 durfte S. dann mit 40 anderen Männern in das neue Haus 7 ziehen. In dem Bau waren die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, jeder Raum ist 20 Quadratmeter groß, hat ein eigenes Bad und ein Telefon. Die Musiktherapie gehört in Tegel zum Standard, wie die mit Hunden oder Katzen.

Gelegentlich hatte S. in den vergangenen Jahren mit dem Tagesspiegel telefoniert. Sein Urteil beschrieb er einmal so: „Zehn Jahre für zwei Ohrfeigen und eine Tritt“. Dass der Tritt einer mit dem schweren Stiefel war, durch den ein Mensch starb, darüber sprach S. nicht.

Erst vor wenigen Wochen war ein anderer bekannter Verbrecher in der JVA Tegel gestorben, der „Würger von Schöneberg“. Hansjoachim W. hatte in den 80er Jahren und im Jahr 2008 fünf Frauen ermordet. 37 Jahre saß er dafür im Gefängnis, er starb mit 58 ebenfalls an Krebs.

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