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Berlin: Millionen für ein Funkhaus

Nalepastraße versteigert Vorwürfe gegen den Senat

Der Auktionator beginnt mit einem Appell: Das DDR-Rundfunkgelände sei ein Kleinod, einmalig auf der Welt. Wer es ersteigern wolle, sollte nicht nur den Kaufpreis, sondern auch einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Dann ruft er den denkmalgeschützten Teil des Areals am Spreeufer mit den berühmten Studios auf – für 300 000 Euro. Sofort knackt der Preis die erste Million, die zweite, dritte, vierte. Bis bei 4,75 Millionen Euro nur noch einer übrig ist: ein Mann in der ersten Reihe, den weder die anwesenden Mieter des Geländes noch andere Bieter noch die Journalisten kennen. Seine Visitenkarte weist ihn als Mustafa Mahjoub aus, Schönheitschirurg mit Praxis in der Joachimstaler Straße. Er habe das Objekt nicht gesehen, nur nach dem Auktionskatalog ausgesucht, sagt er. Weiter wolle er sich in etwa 14 Tagen äußern.

Hinten im Saal stehen ein paar Männer, die soeben Millionäre geworden sein dürften: Die neuen Länder und Berlin haben es möglich gemacht, indem sie ihnen das Gelände im November für 350 000 Euro verkauft und keine Spekulationshürden in den Vertrag eingebaut haben. Den Deal hat die Liegenschaftsgesellschaft von Sachsen-Anhalt arrangiert. Der Käufer, eine Baumaschinenvermietung aus demselben Bundesland, teilte das 13-Hektar-Grundstück und gab zwei Teile an Strohmänner weiter – darunter das nun versteigerte Filetstück. Lediglich eine mit Öl kontaminierte Brache behielt die GmbH. Insider fürchten, dass die Gesellschaft in die Insolvenz geschickt wird und die öffentliche Hand eines Tages auf dem Gift sitzen bleibt.

Die Opposition spricht von einem Millionenschaden fürs Land, den der Senat durch Untätigkeit erst ermöglicht habe. Lisa Paus, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, wirft der Verwaltung ein Spiel mit falschen Karten vor: Eine Expertise zur Frage der Rückabwicklung des Deals sei „ein Gefälligkeitsgutachten“ in dem Sinne, dass Berlin in der Sache für machtlos erklärt werden sollte. In einer Telefonkonferenz der Länderverwaltungen kurz nach dem Geschäft habe Berlin keineswegs protestiert, obwohl es mit seinem 8,5-Prozent-Anteil ein Vetorecht gehabt habe. Und als die Baumaschinenvermietung ihre Bonität nicht pünktlich nachwies, habe die Verwaltung einer Fristverlängerung zugestimmt, statt das Geschäft zu stoppen. Erst jetzt sei es wirklich zu spät. Christoph Lang, Sprecher des Wirtschaftssenators, weist den Vorwurf des „Gefälligkeitsgutachtens“ als „haltlose Unterstellung“ zurück. Und ein Mieter von der Nalepastraße sagt nach der Auktion erschüttert: „Wir leben in einer Bananenrepublik.“

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