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Wer sich nicht jedes Parteiprogramm der 22 Parteien zu Gemüte führen will, für den bietet der Wahl-O-Mat eine schnelle und einfache Alternative.

© Kai-Uwe Heinrich

Der Wahl-O-Mat für Berlin: Mit 38 Klicks zum richtigen Kreuz

Auf der Internetseite des Wahl-O-Mat kann jedermann testen, welchem Programm er in den meisten Fragen zustimmt. Vertreter der fünf großen Parteien haben das am Freitag ausprobiert – und teilweise erstaunliche Resultate produziert.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Schweißperlen auf der Stirn – das lag nicht nur am Wetter. Die Parteichefs von SPD, Grünen, Linken, FDP und der Vize-Landeschef der CDU probierten am Freitag den Wahl-O-Mat aus. Mit 38 Thesen wurden sie konfrontiert. Zum Beispiel: „Die S-Bahn soll als landeseigenes Unternehmen betrieben werden.“ Oder: „Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum soll ausgeweitet werden.“ Um die eigene Vorliebe für die eine oder andere Partei zu erkunden, mussten sie zu allem Ja oder Nein sagen. Es war aber auch erlaubt, sich neutral zu verhalten.

Alle fünf Politiker hatten Glück. Am Ende stand die eigene Partei vorn. Aber die weiteren Ränge waren interessant. Beim Linken-Landeschef Klaus Lederer stand der Koalitionspartner SPD erst an sechster Stelle, die Grünen auf dem zweiten Rang, gefolgt von der Anarchistischen Pogo-Partei. Beim SPD-Parteichef Michael Müller landeten die Grünen vor den Linken auf dem zweiten Platz. An vierter Stelle die Tierschutz-Partei, noch vor der FDP. Die Grünen-Landeschefin Bettina Jarrasch setzte die Linke auf den zweiten Platz, an dritter Stelle standen die Piraten. Die SPD landete abgeschlagen auf Platz 6.

Ordentlicher ging es beim stellvertretenden CDU-Landeschef Thomas Heilmann und dem FDP-Vorsitzenden Christoph Meyer zu. Ihr Ergebnis: CDU, FDP, SPD beziehungsweise FDP, CDU, SPD. Trotz heißer Wahlkampfphase blieb die Lage am Freitag entspannt. Alle waren sich einig, dass der Wahl-O-Mat die eigene Meinungsbildung vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September fördert und nebenbei großen Spaß macht. Das Frage-und-Antwort-Spiel wurde 2002 von der Bundeszentrale für politische Bildung erstmals ins Netz gestellt. Seitdem wurde es vor Bundestags- und Landtagswahlen von mehr als 21 Millionen Bürgern genutzt. Die Idee stammt aus den Niederlanden.
„Eine große Erfolgsgeschichte“, sagte der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, bei der Präsentation des Wahl-O-Mats für die Berliner Wahlen. Gemeinsam mit Jugendlichen und der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit wurde der Online-Ratgeber für Berlin in wochenlanger, intensiver Arbeit entwickelt. 22 Parteien, die für das Landesparlament kandidieren, wurden einbezogen. Schon aus rechtlichen Gründen darf keine Partei benachteiligt werden.

Wissenschaftliche Umfragen belegen, dass über ein Drittel der Nutzer des Wahl-O-Mats unter 30 Jahre alt ist. Etwa 90 Prozent fühlen sich in ihren parteipolitischen Präferenzen bestätigt. Über die Hälfte der Nutzer wird motiviert, sich zu verschiedenen politischen Standpunkten weiter zu informieren. Mehr als fünf Prozent entscheiden sich, an der Wahl doch teilzunehmen, obwohl sie es vorher nicht wollten. Mehr als 70 Prozent der Nutzer hilft der Wahl-O-Mat nach eigenem Bekunden, die Unterschiede zwischen den Parteien klarer zu erkennen.

Der Politologe Stefan Marschall von der Uni Düsseldorf, der das bundesweite Expertenteam des Wahl-O-Mats seit acht Jahren leitet, sieht das Internet jetzt schon als eine Plattform, „auf der sich ein großer Teil der Wahlkampfkommunikation abspielt und die zu einem immer wichtigeren Ort der Meinungsbildung vor dem Wahltag wird“. Der Wahl-O-Mat und ähnliche Online-Instrumente könnten die Grundlage für eine stärker sachorientierte Wahlentscheidung sein, ein Gegenkonzept zur Personalisierung. Und je mehr die Wähler bereit seien, zwischen den Parteien zu wechseln, desto größer werde die Bedeutung solcher Angebote.

Bildungssenator Jürgen Zöllner, der ebenfalls an der Präsentation des Wahl-O-Mat teilnahm, wies auf eine weitere Statistik hin: „40 Prozent der deutschen Jugendlichen interessieren sich für Politik, Tendenz steigend, aber das ist noch zu wenig.“

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