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Die Gastronomie versucht alles, um einen die Nüchternheit auszutreiben. Und verkauft die alkoholfreien Cocktails zum gleichen Preis wie die echten.

© picture alliance / dpa

Genuss ohne Alkohol: "Mixt mir ein paar anständige Drinks!"

Fünf exquisite Gänge. Dazu: Cola? Fanta? Sprite? Wer keinen Alkohol bestellt, ist aufgeschmissen. Das muss sich ändern. Ein Wutausbruch.

Erstaunlich, wie verächtlich ein Kellner dreinschauen kann. Als sei er gerade persönlich beleidigt worden mit der Frage, welche alkoholfreien Aperitifs sein Haus anbiete, am Silvesterabend vor dem Fünf-Gänge-Menü. „Na“, sagt der Kellner, als erkläre sich das ja wohl von selbst, „Fanta, Cola, Sprite“.

Das ist leider fast überall so. Wer in deutschen Restaurants vor dem Essen keinen Hugo und zum Essen keinen Wein bestellt, verwirkt offenbar das Recht, behandelt zu werden wie ein Mensch mit Geschmacksnerven.

Man muss sich vorstellen, dass da also ein Küchenchef sorgsam seine Gänge aufeinander abstimmt, ein Sommelier sich den Kopf darüber zerbricht, was die passende Weinbegleitung dazu aus einem extra dafür eingerichteten Keller sein könnte – und wer keinen Alkohol trinkt, bekommt dann schwarzes Zuckerwasser aus der PET-Mehrwegflasche angeboten.

Oder lieber was ganz Geschmackloses? Nach Art des Hauses: Mit oder ohne Sprudel?

Die Vegetarier haben ihre Schlacht gewonnen

Es erinnert an den Umgang mit Vegetariern in den 90ern. Die durften sich anhören, wenn sie keine Schweine essen wollten, könnten sie den Schnitzelteller ja auch ohne Fleisch serviert bekommen.

Die Vegetarier haben ihre Schlacht gewonnen. Inzwischen bietet jede Autobahnraststätte fleischlose Alternativen. Und das obwohl Experten bis heute darüber streiten, ob vegetarische Ernährung wirklich gesünder ist.

"Dry January" ist Trend, im Februar wird dann umso mehr getrunken

Dass Alkohol der Gesundheit schadet, bestreitet keiner. Laut Weltgesundheitsorganisation sterben jedes Jahr mehr als drei Millionen Menschen an den Folgen des Trinkens. Dazu entsteht allein in Deutschland ein volkswirtschaftlicher Schaden von 17 Milliarden Euro pro Jahr. In den Betrieben sind fünf bis zehn Prozent der Mitarbeiter krank; jeder Alkoholkranke fällt allein wegen seiner Sucht im Durchschnitt 28,6 Tage aus.

Immer mehr Menschen verzichten immer häufiger auf Alkohol. Vor allem im Januar, dem „dry january“. Dafür sind die Verkaufszahlen alkoholischer Getränke dann Anfang Februar wieder besonders hoch.

Wäre die Welt Gerecht, gäbe es noch Geld zurück

Es ist den Menschen kaum zu verdenken, denn die Gastronomie versucht alles, um den Leuten den Spaß an der Nüchternheit wieder auszutreiben. Bestes Beispiel: alkoholfreie Caipirinha. Ein paar Limetten, Mineralwasser, ein Schuss Tonic, Minze und Eiswürfel on top – fertig. Liegt im Einkaufspreis unmerklich über dem Leitungswasser, soll aber so viel kosten wie ein Glas Whiskey, der – von schottischen Druiden handgebrannt – in sonnengereiften Fässern über Jahre mit klassischer Musik beschallt wurde.

"Bist du etwa Schwanger?"

Wäre diese Welt gerecht, würde man im Restaurant noch Geld zurückbekommen, wenn man alkoholfreie Longdrinks und Cocktails wählt, statt die Krankenkassen und auf der Heimfahrt die anderen in der U-Bahn zu belasten.

Stattdessen muss man für den Verzicht teuer bezahlen und sich am Ende auch noch rechtfertigen, dass einen auch wirklich keine Sucht oder Schwangerschaft in die Abstinenz getrieben habe.

Die Gastronomie bietet mittlerweile zehn verschiedene Varianten von nicht aus Kühen stammender Milch. Fun fact: Sekt gibt es auch ohne Alkohol. Kein Mensch will einen Orangensaft, wenn er was zu feiern hat.

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