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Bent Angelo Jensen, 36, zieht mit Herr von Eden Männer klassisch an.

© dpa

Insolvenz des Anzuglabels Herr von Eden: "Modedesign - das ist totaler Wahnsinn"

Während die Fashion Week feiert, hat das Anzuglabel Herr von Eden Insolvenz angemeldet. Inhaber Bent Jensen erzählt, wie es dazu kam.

Herr Jensen, wie geht es Ihnen?

Ich habe eine sehr anstrengende Woche hinter mir. Am Donnerstag letzter Woche habe ich Insolvenz angemeldet.

Was bedeutet das?

Ich strebe ein Isolvenzplanverfahren an mit dem Ziel, das Unternehmen und die 20 Arbeitsplätze zu zu retten. Es wird eine Regulierung der Verbindlichkeiten angesteuert. Das Unternehmen ist drei Monate geschützt, es kann kein Mietvertrag gekündigt, kein Konto gepfändet werden. Ich werde mit dem Insolvenzverwalter einen Plan erstellen, um auf die Gläubiger zuzugehen.

Wie kam es dazu?

Es war wie so oft. In den ersten zehn Jahren hat Herr von Eden ein starkes Wachstum hingelegt, von 1998 bis in die 2000er bis zur Finanzkrise. Ich habe mit einer Filiale in Hamburg angefangen, dann eine in Berlin eröffnet, in Kopenhagen, Köln, München und noch eine in Hamburg. Ich bekam einen Haufen Darlehen, die ich bedienen musste. Hinzu kamen deutlich höhere Lieferantenverbindlichkeiten, um die neuen Standorte mit Ware zu versorgen. Einige davon liefen nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Allein mit München habe ich 300 000 Euro Verluste gemacht. Ab 2010 mussten wir Filialen schließen.

Das heißt, seit drei Jahren geht es bergab?

Ich versuche seit drei, vier Jahren alles aufzufangen. Die Läden in Köln, Berlin und Hamburg laufen gut, wir haben 2012 ein Plus von rund 150 000 Euro gemacht. Trotzdem können wir die vielen Verbindlichkeiten nicht bedienen, das Finanzamt klopft an, das Gewerbeamt wollte mir sogar meine Gewerbegenehmigung entziehen, Mietverträge drohen, gekündigt zu werden. All das versuche ich mit den drei gesunden Läden aufzufangen. Bevor alles zu spät ist, gehe ich auf die Gläubiger zu. Wenn sie nicht mitziehen, besteht das Risiko, dass es vorbei ist und sie wohl gar nichts bekommen.

Wie hat sich die Situation entwickelt?

Wir haben 2013 einen Umsatzrückgang von 30 Prozent, branchenübergreifend. Und insbesondere lief meine Damenkollektion nicht.

Man wird am Wachstum gemessen. War das auch bei Ihnen so?

Ich finde es wahnsinnig, was verbraten wird, um Kollektionen, Shows zu machen, Lookbooks zu fotografieren, ich steige aus. Ich muss mich jetzt um das Kerngeschäft kümmern und auf meine Kunden hören. Wenn die sich weiße Hemden und dunkelblaue Anzüge wünschen, wie sie Jil Sander 30 Jahre lang gemacht hat, dann bekommen sie die.

Wer kauft bei Herr von Eden?

Ich habe Kunden vom Abiturienten bis zum Herrn von Ende 60. Unsere Anzüge sind eine Alternative zum Massenprodukt, deshalb sehe ich nicht mehr ein, warum ich mit zig gestreiften Hemden und karierten Anzügen am Markt bestehen soll.

Dem zu widerstehen, ist wahrscheinlich nicht einfach.

Wir haben ein Lebensgefühl transportiert mit unseren Kampagnen, aber es ist ein unsinniger Narzissmus, dem ich da unterlegen war. Ich bin Autodidakt, ich wollte gerne als Modedesigner wahrgenommen werden. Ich hatte den Eindruck: Alle anderen machen auch alles. Da gerät man in einen Strudel.

Haben die Banken Sie in Ihren Wachstumsplänen unterstützt?

Die ersten zehn Jahre bin ich angefeuert worden, ich dachte, ich bin der geborene Unternehmer: 70 Prozent Geschäftsmann, 30 Prozent Kreativer. Mir ist inzwischen klar, es ist umgekehrt.

Das ist ja nicht die schlechteste Erkenntnis.

Schon, aber jetzt stehe ich mit 600 000 Euro Schulden da. Darauf bin ich nicht stolz. Ich bin ein sehr modeaffiner Typ, ich liebe es, mich zu inszenieren. Aber wenn ich Kinder hätte, dürften die gern DJ werden, nur Mode wäre ein No go.

Und was jetzt?

Der dunkelblaue Anzug rettet uns jetzt, nicht der karierte, der fürs Image wichtig ist. Die Kunden wollen das ganze Paket Herr von Eden, das Personal, die Atmosphäre – aber sie kaufen den Dunkelblauen. Es bedeutet ihnen viel, das da Herr von Eden drin steht. Wir liefern jetzt nicht mehr zwei Mal im Jahr eine Mammutkollektion, sondern werden alle sechs Wochen beliefert. Und ich gehe zurück in den Laden, damit ich weiß, was die Leute wollen.

War Ihnen das Wissen abhanden gekommen?

In meiner Welt mussten die Sakkos jetzt länger werden. Pump also 70 000 in eine Frauenkollektion mit längeren Jacken. Mein Personal hat gesagt: Bent, die Jacken sind zu lang. Ich habe dagegengehalten: Leute, erzählt mir nichts, und habe die mit dem Unglück alleine gelassen.

Es ist ja auch ein Spagat zwischen dem Neuen, das die Kunden sehen, und dem Bewährten, das sie kaufen wollen.

All diese Kampagnen, diese überbezahlten Models, die Schauen. Am kreativen Zirkus der Marktdarstellung gehen viele kleine Labels zugrunde. Ich kann mir nur die Haare raufen, wie viele junge Menschen Modedesign studieren wollen. De facto ist das totaler Wahnsinn. Jedes Jahr werden 5000 Designer auf den Markt geworfen, und es gibt zehn Jobs: einen bei S.Oliver, einen bei Esprit, und wenn du einer der Besten bist, kannst du jahrelang für 500 Euro bei einem der ganz großen Häuser arbeiten. In Wirklichkeit schieben sich ja die 15 großen Marken die Kreativdirektoren gegenseitig zu. Raf Simons geht von Jil Sander zu Dior, Hedi Slimane von Dior zu Saint Laurent.

Aber Designer sind das Salz in der Suppe.

Ich glaube, die Rechnung geht nicht auf. Das ganze Drumherum verdient daran auf Kosten von vielen jungen Designern. Aber trotzdem: Wenn ich kann, mache ich Anzüge, bis ich alt und faltig bin.

- Das Gespräch führte Grit Thönnissen

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