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Berlin: Modernisierung der Bundeswehr: Pionierarbeit einer Sparkommissarin

"Tut mir Leid, die Dame ist hier nicht bekannt", sagt der Wachposten am Bundesverteidigungsministerium. Was heißt hochgestellte Persönlichkeit?

"Tut mir Leid, die Dame ist hier nicht bekannt", sagt der Wachposten am Bundesverteidigungsministerium. Was heißt hochgestellte Persönlichkeit? "Kann ja sein", meint er gleichmütig. Der Mann an der Einfahrt Stauffenbergstraße kennt nur seine Direktiven. Vorsichtshalber blättert er aber noch einmal in seiner Liste: "Ach doch, Annette Fugmann-Heesing, hier steht sie, ist aber erst nachträglichlich eingetragen."

Versteckt in einem langen Flur liegt ihr winziges Büro. Da ist gerade Platz für einen kleinen Schreibtisch, drei Stühle, Telefon, Fax, Computer samt Drucker. Nicht einmal eine Sekretärin hat die frühere Berliner Finanzsenatorin. So unspektakulär kann Pionierarbeit sein. Seit Juni ist Frau Fugmann-Heesing mit der Modernisierung der Bundeswehr beschäftigt. Das heißt, soweit ist es noch gar nicht. Die von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping Anfang Mai ins Leben gerufene GmbH mit dem spröden Namen "Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb" - kurz: GEBB - beginnt erst zum 1. September zu arbeiten. Geschäftsführerin Annette Fugmann-Heesing bereitet den Start mit einem kleinen Stab von sieben Mitarbeitern vor, die in Bonn sitzen. Fürs Erste reichen ihre Aufgaben von der Mietung der Räume bis zur inhaltichen und personellen Konzeption.

Demnächst wird die Gesellschaft ihren Sitz in Bonn haben und ein richtiges Büro in Berlin, aber außerhalb des Verteidigungsministeriums, denn die GmbH hat nichts mit Militärfragen zu tun. Hier geht es um Einsparungen der Bundeswehr durch Rationalisierung, Innovation, modernes Management in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Frau Fugmann-Heesing bekommt einen Mitgeschäftsführer aus der Wirtschaft; Aufsichtsratsvorsitzender wird der frühere Daimler-Chef Helmut Werner. Sie empfindet ihre Aufgabe als "passgenau für mich". Als Finanzministerin in Hessen (unter Ministerpräsident Hans Eichel) und Finanzsenatorin in Berlin hat sie sich schließlich einen Namen mit ihrem rigiden Sparkurs und als Motor der Modernisierung gemacht. So hat sie ihr Neuland erfahrungssicher betreten.

Nichts in ihren vorläufig beengten vier Wänden erinnert an die Bundeswehr. Und sie selbst gibt sich ganz apart: weißes Sommerkleid mit scharzen Mustern, dicke Holzperlenkette. "Ach, das Kleid ist einfach praktisch bei dieser schwülen Wärme, es ist schon so alt wie meine große Tochter", erzählt sie. Die ältere der beiden Töchter wurde gestern 13. An diesem Tag wollte sie eigentlich nur für Mann und Kinder da sein. Es wurde wieder einmal nichts, gegen Termine ist nichts zu machen. Es reichte dann doch nur fürs Frühstück und Mittagessen in der Familie. Nachmittags eilte sie mit dem dicken Aktenkoffer nach Bonn, Besprechung beim Minister. Von Urlaub kann dieses Jahr sowieso nicht die Rede sein. Dass das Privatleben zu kurz kommt, "fällt mir und den Kindern nicht leicht", versichert sie. Die Stimme klingt warmherzig, die blaugrauen Augen blicken energisch, sie hat sich nun mal in einen neuen Job gestürzt.

Vier Jahre war sie im Senat die eiserne Sparlady. Der Erfolg gab ihr Recht. Sie hätte ihr Amt gern behalten, um weiter die Haushaltskonsolidierung betreiben zu können. Aber ihre SPD verlor die Wahl 1999, und so setzte ihr die eigene Partei den Stuhl vor die Tür. Unter drei Senatoren war sie plötzlich im Postengerangel überzählig. Die CDU war auch froh, dass sie die unbequeme Finanzsenatorin los war. Sie gibt eine "persönliche Enttäuschung" zu, doch das war für sie kein Grund zum Rückzug aus der Politik: "Selbstverständlich ist die weitere Zusammenarbeit Teil der politischen Professionalität." So kühl kann sie auch sein. Natürlich ist sie "froh", dass ihr Nachfolger Peter Kurth (CDU) den Konsolidierungskurs fortsetzt.

Gehört der neuerliche Ärger um die Bewag auch zu ihren Enttäuschungen? Sie hatte die Bewag 1997 privatisiert und dafür 2,9 Milliarden Mark in den Stadtsäckel gepumpt. Nun aber will Eon seine 49 Prozent Anteile an die Hamburger HEW verkaufen, die dem schwedischen Stromkonzern Vattenfall gehören. Wieder lächelt sie überlegen: "Wir haben die richtigen Sicherheiten in die Verträge eingebaut. Wir haben die Unternehmensführerschaft der amerikanischen Southern Company gegeben. Ich baue darauf, dass nicht HEW, sondern Southern die Mehrheitsanteile übernimmt". Die Bewag soll damit ihre starke Rolle als Stromerzeuger behalten. Kleiner Seitenhieb gegen CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky: "Hätten wir damals auf andere gehört, würde die Bewag von den Schweden kontrolliert."

Als die Senatorin im Dezember 1999 abserviert wurde, konnte sich niemand recht vorstellen, dass sie in der Politik weiter die erste Geige spielen würde. Sie ist eben nicht in eine Vorstandsetage der Wirtschaft abgeschwirrt, sondern hat sich einen Job ausgesucht, der mit ihren politischen Ambitionen vereinbar ist. Warum wollte ihr das nur anfangs niemand glauben? Sie hat den Vorsitz im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses behalten; seit dem 15. Juli ist sie auch stellvertretende Landesvorsitzende der SPD. Das muss doch wohl mit Respekt zu tun haben.

Wie bringt sie alle ihre Aufgaben unter einen Hut? Wie zum Zeichen strenger Zeiteinteilung blickt sie belustigt auf die Uhr: "Punkt zwölf muss ich wieder in meinem Büro sein." Sie hatte doch als Senatorin auch reichlich zu tun, auch damals musste sie zwischen Berlin und Bonn pendeln. So eine sitzt nicht pro forma in Gremien. Wissenschaft und Bildung in Zeiten der Globalisierung haben auch mit Modernisierung zu tun. Und als Parteivize "mache ich mich stark dafür, dass wir nicht wieder zwei Schritte vor und drei zurück machen, sondern drei Schritte vor und höchstens mal einen zurück." Die Parteiprogrammatik macht ihr weniger Sorgen als die richtige Strategie, "mit der man das Programm unterfüttert". Die Ziele der Partei sollen über das Senatshandeln hinausgehen, aber "sich nicht gegen die Regierung richten, auch das hat mit Strategie zu tun."

Im Wahlkampf 1999 bildete sie zusammen mit dem Spitzenkandidaten Walter Momper, Parteichef Peter Strieder und dem damaligen Fraktionschef Klaus Böger die Führungsquadriga. Doch die Partei stand nicht geschlossen hinter Momper, ganz abgesehen von Missgunst an der Spitze, der Wahlkampf ging daneben. Die Bundestagswahl 2002 soll ein Testlauf für die Selbstbehauptungsfähigkeit der Berliner SPD werden, wieder eine Frage der Strategie. Doch bitte keine Diskussionen zur Unzeit über die nächste mögliche Koalition nach der Berliner Wahl 2004 oder gar über den Spitzenkandidaten: "So etwas kann man sich nicht leisten. Wir müssen uns als überzeugende Kraft präsentieren."

Und wo will Annette Fugmann-Heesing 2004 stehen? "In Berlin", sagt sie belustigt. Sie verrät doch nicht, ob sie selber Spitzenkandidatin werden will. Peter Strieder werde sicher in ausreichender Nähe zum Wahlkampf einen Vorschlag machen: "Bis dahin ist jede Debatte überflüssig." Und damit Punkt.

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