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Mit Witz in die Krise. Constanze Behrends und Oliver Tautorat sind die Chefs vom Prime Time Theater. David Shirreff ist Korrespondent beim "Economist" (von links).

© Doris Spiekermann-Klaas

Musical zur Eurokrise: Währungskrise in Wedding

Ein euroskeptischer Brite hat ein Musical über die Schuldenkrise geschrieben „Eurocrash“ läuft ab Dienstag im Prime Time Theater in der Müllerstraße.

Na, schönen Dank auch. Ausgerechnet ein Engländer schreibt den Eurocrash als Musical herbei. Die Skeptiker von der Insel wollen zwar angeblich Europäer sein, aber machen als Pfund-Traditionalisten bekanntlich nicht mal bei der Währung mit, die seit Monaten schwer gebeutelt ist und diese Woche im Wedding endgültig untergeht. Zum Glück tut sie das nicht sang– und klanglos, sondern mit Wortwitz und Klavierbegleitung. Im Prime Time Theater feiert die im September in London uraufgeführte Produktion „Eurocrash“ von Texter David Shirreff und Komponist Russell Sarre am Dienstag Deutschlandpremiere.

Sein Botschafter jedenfalls sei interessiert, sagt der Brite Shirreff und grinst, er hat sein Kommen zugesagt. Auch wenn die Bezeichnung Musical für die Sechs-Schauspieler-und-ein-Klavier-Show vielleicht ein bisschen hoch gegriffen und ein üppiges Bühnenbild im Trash-verliebten Prime Time Theater grundsätzlich nicht zu erwarten ist.

Shirreff immerhin weiß, wovon er textet. Im wirklichen Leben ist der verschmitzte 64 Jahre alte Londoner Wirtschaftskorrespondent der Wochenzeitschrift „The Economist“ und lebt seit fünf Jahren in Berlin. „Eurocrash“ ist schon seine zweite Musiksatire. Die erste – „Broke Britannia“ – lief 2010 in London und Edinburgh und bereitete spaßig die britische Kreditkrise auf. Nun nagelt Shirreff die europäische Staatsschuldenkrise auch in Berlin und anschließend in der Finanzmetropole Frankfurt am Main per Gastspiel an die Wand.

Weil er ein hinterhältiger Euro-Hasser und verkappter Anti-Europäer wie die anderen Engländer ist? Nein, protestiert er amüsiert. Er sei überzeugter Europäer und keinesfalls gegen die Währung, „aber schon 1998 vor der Einführung war klar, dass sie fehlerhaft konstruiert ist“. Auch wenn jetzt hektisch nachgebessert werde, sieht Shirreff nur zwei Lösungswege: den Crash oder die Fiskalunion samt europäischer Wirtschaftsregierung. Dann ist die Show also ein Lehrstück? „Naja, eher eine Warnung, eine Parabel, aber vor allem Unterhaltung“.

Nach der hat Shirreff, der sein Eurodrama beim Skiurlaub in Österreich in einer Woche runtergeschrieben hat, in seinem Job offensichtlich verstärkt Bedarf. So eine Show sei viel besser als die Zeitungsschreiberei dazu geeignet, Finanzmanipulateure und -dilettanten kabarettistisch aufzuspießen, sagt er und outet sich als Fan von Gilbert und Sullivan. Das Autoren- und Komponistenduo hat Ende des 19. Jahrhunderts in England die Tradition der komischen, gelegentlich auch gesellschaftskritischen Oper begründet. Den albernen Einfluss hört man den, ebenso an 30er-Jahre-Couplets erinnernden, Songs denn auch an.

Constanze Behrends und Oliver Tautorat, den Chefs des durch die Sitcom „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ zu Ruhm gekommenen Prime Time Theaters, gefällt an dem in Englisch aufgeführten Stück vor allem die Idee, die Eurokrise als ironisches Märchen aufzuziehen. Die Helden Mark und Gilda treffen darin merkwürdige Gestalten wie Papa Kohl, Madame Mitterrand oder einen Berliner Taxifahrer und seinen griechischen Fahrgast. Behrends und Tautorat starten mit „Eurocrash“ eine Gastspielreihe mit europäischen Volkstheaterstücken, erzählen sie. Na toll, jetzt ist der Untergang einer Währung also schon lustiges Volkstheater? Die Drei nicken und Shirreff sagt: „Der Euro geht schließlich jeden was an.“ Sogar einen skeptischen Tommy wie ihn. Gunda Bartels

Prime Time Theater, Müllerstraße 163, Wedding, 24. bis 26. Januar, 20.15 Uhr, 15 Euro; www.primetimetheater.de

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