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Berlin: Musik-Riedel verstummt in Mitte: Schauspielhaus verlängert Vertrag mit "Untermieter" nicht

Der Verkäuferin hat es die Sprache verschlagen, der Verkäufer ahnt, was ihn und seine vier Kollegen erwartet: Verlust des Arbeitsplatzes, vielleicht eine Abfindung. Die Schwermut gregorianischer Gesänge passt zur Stimmung in der Musikalienhandlung Riedel.

Der Verkäuferin hat es die Sprache verschlagen, der Verkäufer ahnt, was ihn und seine vier Kollegen erwartet: Verlust des Arbeitsplatzes, vielleicht eine Abfindung. Die Schwermut gregorianischer Gesänge passt zur Stimmung in der Musikalienhandlung Riedel. Das Geschäft im Nordgiebel des Schauspielhauses ist seit zehn Jahren nicht nur ein stets empfangsbereiter Teil des Musiktempels am Gendarmenmarkt, sondern auch "ein Begriff für die Musikwelt", wie Geschäftsführer Hans-Wolfgang Riedel auf die Visitenkarten des Geschäfts für alte und neue Noten, Tonträger, Musikbücher und Instrumente drucken ließ.

Nun ist absehbar, dass künftig mit "Musik-Riedel" nurmehr das Fachgeschäft in der Uhlandstraße 38 gemeint sein wird. Zum 30. März 2001 wurden dem musikalischen Ableger in Mitte die 175 Quadratmeter im Parterre des Schauspielhauses gekündigt. Kultursenator Stölzl bescheinigt Musik-Riedel zwar, dass er "mit persönlichem Engagement und unternehmerischem Risiko" einen Anlaufpunkt geschaffen habe, der nicht nur die Musikschaffenden dieser Stadt anzieht. Dennoch müsse er das Schauspielhaus verlassen, um einer zentralen Vorverkaufskasse Platz zu machen. "Der Senator muss sich darüber im Klaren sein, dass er hier eine Kultureinrichtung dieser Stadt zerschlägt", sagt Hans-Wolfgang Riedel. Er ahnt zudem, dass in der Direktion des Hauses "neue Begehrlichkeiten erkennbar sind, um auf Teufel-komm-raus Geld reinzuholen" - durch eine Erhöhung der zugegeben sehr moderaten Miete von 3000 Mark, aber auch durch den Plan, Platz für den Verkauf eigener Schauspielhaus-Souvenirs zu schaffen. Schließlich sieht sich Riedel als Opfer eines Ost-West-Konflikts. In einem Gespräch soll Intendant Schneider gesagt haben, dass hier nun endlich auch einmal ein Ossi einen Wessi verdrängt - "und das, obwohl man uns vor zehn Jahren Hände ringend bat, ins Schauspielhaus zu kommen", sagt Riedel. Schneider ließ durch seinen Sprecher ausrichten, dass solche Worte nie gefallen seien. Riedel wiederum, Lenin zitierend: "Was mit uns geschieht, ist kulturpolitischer Stamokap, also staatsmonopolistischer Kapitalismus."

Im Schauspielhaus sieht man die Dinge eher gelassen: "Dem Musikhaus ist nicht gekündigt worden. Es ist ja normal, dass Verträge auch einmal auslaufen und nicht verlängert werden. Genau dies ist hier der Fall", sagt Pressesprecher Martin Redlinger. Was mit dem Raum und seinem direkten Zugang ins Schauspielhaus geplant ist, sei noch vollkommen offen. Fest steht wohl, dass man eine Vorverkaufskasse einrichten möchte, da sich die Kassen derzeit zu versteckt im Hause befinden. "Das Haus möchte die Räume attraktiver für sich und für die Öffentlichkeit nutzen."

Lo.

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