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Kinder spielen im Freibad Prinzenbad in Berlin.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Update

Nach Mob-Angriff auf Security-Mitarbeiter: Polizeipräsidentin will härter vorgehen – Streifen im Berliner Columbiabad

Aus Frust über ihren Rauswurf haben Männer im Neuköllner Columbiabad das Sicherheitspersonal angegriffen. Die Mitarbeiter verschanzten sich im Aufsichtsturm.

Die Lage bei einigen Berliner Freibädern eskaliert – jetzt wurden sogar Mitarbeiter von einem Mob angegriffen. Mit Knüppeln und Reizgas sind mehrere junge Männer im Freibad am Columbiadamm gezielt auf Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes losgegangen – aus Frust über ihren Rauswurf.

Elf Personen wurden bei dem Angriff der Gruppe am Dienstagabend verletzt, die Feuerwehr rückte mit mehreren Rettungswagen an. Das Neuköllner Bad musste geräumt werden.

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„Die Auseinandersetzungen im Sommerbad Neukölln haben ein Ausmaß erreicht, wie wir es bisher nicht kannten“, sagte der Vorstandschef der Berliner Bäder-Betriebe, Johannes Kleinsorg, am Mittwoch. Polizeipräsidentin Barbara Slowik kündigte nun eine härtere Gangart an.

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„Die Polizei Berlin wird ein solches Verhalten nicht dulden und dagegen mit polizeilichen Präsenzmaßnahmen vorgehen – mit Beamten in Uniform und in Zivil“, sagte Slowik dem Tagesspiegel. „Dieser Vorfall hat eine neue Qualität und mit den Auseinandersetzungen, die wir aus den vergangenen Monaten und Jahren kennen, nichts mehr zu tun.“

Mobile Wache ab Donnerstag am Columbiabad

Zunächst stehe für die Polizei nun das Columbiabad im Fokus, die anderen Badeanstalten habe die Polizei im Blick. Bereits am Mittwoch patrouillierten Polizisten am Columbiabad. Dort wird am Donnerstag zudem eine sogenannte mobile Wache stehen, ein Transporter mit drei Beamten, in dem Anzeigen bearbeitet und Zeugen vernommen werden können. Auch sollen die Sicherheitsdienste in den Freibädern noch einmal verstärkt werden, kündigte Bäder-Chef Kleinsorg an.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte, dass nun Beamte in dem Freibad auf Streife gehen. „Es war leider eine Frage der Zeit, wann Berlins Polizei hier mal wieder als Mutti für alles in die Bresche springen muss, weil andere Institutionen ihrer Verantwortung nicht nachkommen“, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh.

Der Einsatz der mobilen Wache „als taktisches Mittel zur Prävention an Brennpunkten“ sei sinnvoll. „Dass wir aber tagtäglich mit Einsatzhundertschaften am Columbiabad und in anderen Bädern der Stadt Präsenz zeigen, übersteigt sämtliche personelle Ressourcen“, sagte Weh.

Die Beamten müssten wegen der Hitze entsprechend versorgt werden und regelmäßig abgelöst werden. „Man darf nicht vergessen, dass sie da stundenlang in voller Montur in der Hitze stehen“, sagte Weh.

Männer sollen gezielt Sicherheitsdienst attackiert haben

Auslöser für die Randale am Dienstagabend: Die Gruppe von bis zu zwölf Personen war bereits wegen einer anderen Schlägerei gegen 18.30 Uhr des Bades verwiesen worden – und darüber offenbar erbost. Nach ihrem Rauswurf drängte die Gruppe gegen 19.30 Uhr einfach zurück ins Freibad.

[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: Sommer, Sonne, Schläge: Gefahrenzone Freibad – woher kommt die Gewalt am Pool?]

Die jungen Männer sprangen über den Zaun oder gingen durch den Haupteingang. Dort sollen sie dann gezielt Mitarbeiter der Sicherheitsdienstes angegriffen und dabei Pfefferspray eingesetzt haben, einem Wachmann wurde ins Gesicht geschlagen. Die Angreifer sollen zudem mit Schlagwerkzeugen bewaffnet gewesen sein, Zeugen berichteten übereinstimmend von Knüppeln.

Die Angreifer hatten es vor allem auf drei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes abgesehen, die Wachmänner flüchteten vor der Gruppe in den Aufsichtsturm der Rettungsschwimmer und schlossen sich dort ein. Der Mob der Freibad-Schläger soll dann versucht haben, die Tür einzuschlagen, woran sie aber scheiterten.

Drei mutmaßliche Angreifer festgenommen

Als die alarmierte Polizei eintraf, flüchteten die jungen Männer in verschiedene Richtungen. Allerdings fanden Beamte in der Nähe des Freibads dann drei der mutmaßlichen Angreifer in einem Kleinwagen.

Die Männer im Alter von 19, 23 und 24 Jahren, ein Deutsch-Libanese und zwei Deutsche mit arabischen Wurzeln, wurden vorläufig festgenommen. Sie sind nach Tagesspiegel-Informationen bereits polizeibekannt und etwa mit Körperverletzungsdelikten oder Fahren ohne Führerschein aufgefallen.

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Bei dem 23-jährigen Fahrer fanden die Polizisten ein Messer, unter dem Beifahrersitz einen Schlagstock und im Kofferraum einen Baseballschläger. Die Polizei beschlagnahmte alle Gegenstände. Nachdem die drei Männer im Polizeigewahrsam erkennungsdienstlich behandelt worden waren, kamen sie wieder frei. Die Polizei ermittelt wegen besonders schweren Landfriedensbruchs – und fahndet auch nach weiteren Verdächtigen, wie eine Sprecherin am Donnerstagmorgen erklärte.

Die Feuerwehr löste zunächst einen Alarm für einen sogenannten Massenanfall an Verletzten (MANV). Dabei war die Feuerwehr beim Rettungsdienst ohnehin überlastet und der Rettungsdienst wieder einmal wegen eines Mangels an Rettungswagen im Ausnahmezustand. Vier Rettungswagen und zwei Notarztwagen rückten an, ebenso ein Spezialwagen für Sanitätsmaterial.

Sicherheitsmitarbeiter geschlagen

Insgesamt elf Personen im Alter von 15 bis 49 Jahren sind bei der Attacke des Mobs vor allem durch den massiven Einsatz von Reizgas verletzt worden, darunter waren sechs Badegäste, vier Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes. „Sie klagten über Augenreizungen und Atemwegsbeschwerden“, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei.

Drei der Badegäste kamen zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus, die restlichen Verletzten wurden vor Ort ambulant behandelt. Zwei Männer, darunter ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, waren nach eigenen Angaben ins Gesicht geschlagen worden.

Wegen der unübersichtlichen Lage räumte die Polizei das Freibad. Der Columbiadamm wurde wegen des Einsatzes zwischen Lilienstraße und Fontanestraße für den Autoverkehr gesperrt.

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Immer wieder kommt es in Berlins Freibädern zu Aggressionen, Gewalt und Streitigkeiten. Im Columbiabad sollte nach Schlägereien Ende Juni eigens das Sicherheitspersonal aufgestockt werden. Nach einem Wasserpistolen-Streit war es dort zu einem Massentumult gekommen.

Eine 21-jährige Britin und ihre Begleiter hatten sich darüber beschwert, dass sie von Kindern mit Wasserpistolen bespritzt wurden. Ein Mann hatte sich eingemischt und der Frau ebenfalls ins Gesicht gespritzt.

Darauf bespuckte die Frau den Mann, er schlug mit der Wasserpistole zu – die Frau erlitt einen Nasenbeinbruch. Alarmierte Polizisten und Wachleute wurden dann von bis zu 250 Badegästen aggressiv bedrängt, als sie das Bad räumen wollten.

Eine Woche zuvor hatte es einen ähnlichen Vorfall am Steglitzer Bad Insulaner gegeben: Nach einer Spritzerei mit Wasserpistolen und einem folgenden Streit brach dort eine Massenschlägerei von etwa 100 Menschen aus. Die Polizei rückte mit 13 Streifenwagen und Teilen einer Einsatzhundertschaft an, um die Lage zu beruhigen.

Der Senat spricht von Ausnahmevorfällen

Die Innenverwaltung sieht keine Häufung bei Gewaltvorfällen in Freibädern. „Der Senat sieht die Vorfälle kritisch, weist jedoch auch darauf hin, dass es sich hierbei – entgegen der Wahrnehmung in Teilen der Öffentlichkeit – um Ausnahmevorfälle handelt und dass der Betrieb der Berliner Sommerbäder in aller Regel friedlich und sicher verläuft“, heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage.

In Bädern, um sie herum sowie an Stränden wurden für 2017 in der Statistik 35 Fälle von Körperverletzung erfasst, 2018 waren es 82 und 2019 dann 76. Für 2020 wurden 50 Fälle registriert worden, 2021 dann 34 – diese beiden Jahre sind allerdings wegen der Corona-Pandemie mit Einschränkung verwertbar, der Zugang zu Freibädern war teils begrenzt.

Bis Ende Mai verzeichnete die Polizei zehn Gewaltdelikte in Freibädern, in vier Fällen davon waren Personen mit „nichtdeutscher Staatsangehörigkeit“ beteiligt. Bis Ende Juni ist die Polizei elfmal wegen einer Schlägerei in den Berliner Freibädern alarmiert worden, drei davon und damit die meisten waren es im Juni im Sommerbad am Insulaner, im Strandbad Plötzensee, in den Sommerbädern am Olympiastadion und in Neukölln.

„Das Phänomen der ,Freibad-Konflikte‘ tritt saisonal und wiederholt auf“, sagt eine Polizeisprecherin. „Bei Betrachtung der Zahlen zum Delikt der Körperverletzung ist zu erkennen, dass diese aktuell keine offensichtlichen Abweichungen im Vergleich zu den Vorjahren aufweisen.“

Online-Ticketshop kapitulierte am Dienstag vor der Hitze

Angesichts der Hochsommer-Hitze verzeichnen die Berliner Bäderbetriebe in diesen Tagen einen großen Andrang in den Freibädern. Am Dienstagmorgen kapitulierte der Online-Ticketshop vor dem Hitze-Andrang. Die Buchungsplattform sei wie schon mehrfach an heißen Tagen dem großen Ansturm nicht gewachsen gewesen und bereits am Morgen wieder ausgefallen, sagte Bäder-Sprecher Matthias Oloew der Nachrichtenagentur dpa.

Man arbeite unter Hochtouren daran, den Shop wieder in Gang zu bringen. „Wir können aber nicht sagen, wie lange es noch dauern wird“, sagte Oloew. Folglich müssten Badelustige ausschließlich auf die Bäderkassen zurückgreifen, was zwingend mit Wartezeiten verbunden sei. Die gute Nachricht am Mittwoch, der zum bislang heißesten Tag des Jahres werden soll: Am frühen Morgen funktionierte der Online-Shop anstandslos.

Der Ansturm sei erwartungsgemäß auch wegen der Ferienzeit sehr groß, sagte Oloew. Er empfahl insbesondere Familien in den kommenden Tagen sehr früh in die Bäder zu kommen – nicht erst gegen 11 Uhr. Zudem böten sich auch Bäder an, die nicht immer sehr stark nachgefragt seien. Ein Tipp sei beispielsweise das Sommerbad Staaken-West. (mit dpa)

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