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Günter Piening.

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Update

Nach neun Jahren im Amt: Berlins Integrationsbeauftragter verlässt die Stadt

Der Integrationsbeauftragte Günter Piening will sich nach neunjähriger Amtszeit beruflich neu orientieren. Koalitionspolitiker und Migrantenverbände sehen darin auch die Chance, andere Akzente zu setzen.

Von Sabine Beikler

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wünscht sich für die Einwandererstadt Berlin eine „Willkommenskultur“ und will die Stadt zur „europäischen Integrationsmetropole“ machen. Doch der Mann, der dafür zuständig ist, verabschiedet sich aus der Hauptstadt. Der Integrationsbeauftragte Günter Piening gibt sein Amt Ende Juni „auf eigenen Wunsch“ auf. Für seine Entscheidung gebe es „ein Bündel von Gründen“, sagte Piening am Freitag. Der 61-Jährige will sich nach einjährigem Auslandsaufenthalt unter anderem in Japan beruflich neu orientieren. Als weiteren Grund gab Piening „bestimmte Differenzen“ an, die er bei Rot-Schwarz in der Integrationspolitik aufkommen sehe. Als Beispiele nannte er die Leitkultur-Debatte, Flüchtlings- und Einbürgerungsrechte. Der dritte Grund ist, dass sich Piening in seiner neunjährigen Amtszeit viele Kritiker gemacht hat – auch in den Reihen der Koalitionsparteien SPD und CDU.

Als der Soziologe und Redakteur eines alternativen Bielefelder Wochenblatts 2003 unter Rot-Rot sein Amt antrat, stellte er klar, dass er sich nicht als „Ombudsmann der Migranten“ sehe. Er sei vielmehr „Berater der Regierung, der Vorschläge macht“, sagte das Grünen-Mitglied damals. Sein Amt sei eine „Querschnittsaufgabe“, die auf Teilhabe in allen Politikbereichen abziele, betonte er gestern. Piening entwickelte 2005 das Integrationskonzept mit sowie das 2010 verabschiedete Integrationsgesetz.

In gesellschaftspolitischen Diskussionen über Jugendgewalt, Zwangsehen, Intensivstraftäter, Parallelgesellschaften oder in der Sarrazin-Debatte hörte man Piening nur auf Nachfrage oder sehr zurückhaltend. Migrantenvertreter, aber auch grüne Parteifreunde forderten von ihm mehrfach klare Positionierungen.

Piening übernahm die Nachfolge von Barbara John (CDU), die von 1981 bis 2003 die dienstälteste und erste Ausländerbeauftragte Deutschlands war. Sie war mit ihren Forderungen nach einem sicheren Rechtsstatus für in Deutschland lebende Ausländer in ihrer Amtszeit oft nicht auf Parteilinie. John kommentierte das Ausscheiden ihres Nachfolgers knapp: „Piening geht. Integration bleibt die zentrale Herausforderung in Berlin.“

Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) bedauerte das Ausscheiden von Piening aus dem Amt. „Wir hatten eine gute Zusammenarbeit“, sagte Kolat, die seit gut drei Monaten im Amt ist. Es gebe eine „neue Generation“ in der Integrationspolitik, für die Piening Vorreiter war. Anhand von bestimmten Indikatoren können man jetzt prüfen, ob Integrationsmaßnahmen erfolgreich seien. Piening habe 2006 auch die Kampagne „Der deutsche Pass hat viele Gesichter“ für Einbürgerungen ins Leben gerufen. Diese Kampagne war zunächst auch erfolgreich: 8200 Einbürgerungen gab es 2006 in Berlin, in den letzten Jahren aber stagnieren die Zahlen bei rund 6000 Anträgen jährlich.

Piening sei mehr Beamter als Türöffner für Migranten, mehr Verwalter als Gestalter, hörte man regelmäßig kritisch in SPD-Kreisen. Piening sei nicht offen für alle Migranten gewesen, sagte Bekir Yilmaz, Präsident der Türkischen Gemeinde zu Berlin, dem Dachverband von 73 türkischen Vereinen. Man habe „nicht gut zusammengearbeitet. Ich wünsche mir, dass der Nachfolger offener für alle ist“ und das Gespräch auch mit religiösen Gruppierungen suche. „Allein für Plakataktionen brauchen wir keinen Integrationsbeauftragten.“

Der migrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger, dankte Piening für seine Arbeit, begrüßte aber auch die Chance, die Integrationspolitik im Sinne der Koalitionsvereinbarung „neu zu justieren“. Piening habe einiges dafür getan, die Berliner Verwaltung für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund zu öffnen. Vermisst hat Dregger an Piening, dass er nicht auf die „Besorgnisse der einheimischen Bevölkerung vor Überfremdung“ eingegangen sei. Von Pienings Nachfolger erhofft sich Dregger, dass er auf diejenigen zugehe, die Einwanderern gegenüber „skeptisch“ seien.

Die Linke bedauerte den Rücktritt Pienings. Er habe mit den Schwerpunkten „Teilhabe und Chancengleichheit“ eine zeitgemäßige Politik betrieben, sagte Integrationspolitiker Hakan Tas. Grünen-Integrationspolitikerin Canan Bayram dagegen sieht durch den Weggang von Piening „große Chancen, die Integrationspolitik neu aufzustellen“. Piening habe keine Sensibilität für migrantische Vereine gezeigt. Die Piraten-Fraktion betont, dass die Position des Integrationsbeauftragten nicht zur Alibi-Stelle verkommen dürfe. Pienings Nachfolge wird ausgeschrieben, die Stelle werde „zeitnah“ besetzt, sagte Senatorin Kolat.

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