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Drehorgelfest in Berlin: Nachwuchs am Leierkasten

Vom 5. bis 7. Juli findet in Berlin zum 40. Mal das Internationale Drehorgelfest auf dem Breitscheidplatz statt. Mit dabei: die 14-jährige Sophia Haß.

Mit Zylinder und im Clownskostüm, in Frack und Fliege: Viele kennen die bunt kostümierten Drehorgelspieler noch vom Straßenrand. Früher waren sie fester Teil des Stadtbilds, heute erblickt man sie nur noch selten. An diesem Wochenende werden sie aber kaum zu übersehen sein: Dann ziehen die Leierkastenleute wieder durch die Berliner Innenstadt.

Das 40. internationale Drehorgelfest auf dem Breitscheidplatz zieht rund 200 Spieler aus zwölf Ländern an. Chilenische Chinchineros, die Kästen kurbeln und dabei Trommeln auf dem Rücken tragen, sind ebenso dabei wie die Fans klassischer Berliner Bauart. Höhepunkt ist der Umzug am Samstag: Der zieht um 11 Uhr von der Bleibtreustraße aus los und endet am Breitscheidplatz. Zum Abschluss folgt am Sonntag um 15 Uhr ein kostenloses Drehorgelkonzert in der Gedächtniskirche. Spenden sind erwünscht und fließen in die Erhaltung der Kirchengebäude und den Verein der Internationalen Drehorgelfreunde Berlin e.V.

Seit vierzig Jahren organisiert Christa Hohnhäuser die Zusammenkunft der globalen Leierkasten-Szene. „Das Fest ist mein Baby“, sagt die Vizepräsidentin des Vereins. Sie habe immer ein Instrument lernen wollen, als junge Frau dazu aber nie die Gelegenheit gehabt – bis sie auf die Drehorgel stieß. Heute hat ihr Verein mehr als 80 Mitglieder, einmal im Monat trifft sich der Stammtisch. Dann planen sie Feste oder beraten über Reparaturen der Orgeln. Viele Spieler seien schon älter, sagt Hohnhäuser. Aber nicht alle.

Denn es gibt auch Nachwuchs: Sophia Haß ist vierzehn Jahre alt, am Wochenende feiert die Hamburger Schülerin ihren 15. Geburtstag. Seit ihrem vierten Lebensjahr begeistert sie sich für Drehorgeln. Damals lernte sie Christa Hohnhäuser und deren Mann kennen – und durfte das erst Mal „drehen“. Das gefiel ihr so gut, dass sie ein Jahr später auf das Drehorgelfest in Berlin fuhr.

Einst war Berlin Orgelbau-Metropole

Ernst wurde es Sophia, als sie das Fest mit zehn Jahren wieder besuchte. Vom Orgelbaubetrieb Stüber, dem letzten von einst über 80 in Berlin, lieh sie ihren ersten Leierkasten. Dazu bekam sie eine Rolle mit dem Titellied von Pippi Langstrumpf. Vergangenes Jahr hat sich Familie Haß nun eine eigene Drehorgel gekauft. Sie hat 31 Tonstufen, wurde 2018 gebaut. „Später möchte ich aber auch eine schöne alte haben“, sagt Sophia.

Drehorgeln sind zum Teil viele Jahrzehnte alt, je nach Land und Bauart unterscheidet sich ihre Machart. Die Zahl der Tonstufen gibt an, wie viele verschiedene Töne gespielt werden können - sie reicht von 20 bei kleinen bis hin zu über 50 bei großen Orgeln. Berlin war einst Orgelbau-Metropole.

„Es ist wichtig, gleichmäßig zu drehen“

Drei verschiedene Bauarten gibt es, die älteste bekannte Form ist die Walzenorgel mit Stiften. Seit dem frühen 20. Jahrhundert wird auch auf Lochbandorgeln gespielt, in die ein Notenband mit Löchern eingelegt wird. Moderne, elektronische Orgeln nutzen auch Mikrochips. Auf dem Drehorgelfest sind sie aber verboten, da nur die ersten beiden auch stets in Berlin produziert wurden. „Wir wollen die Berliner Tradition erhalten”, sagt Hohnhäuser.

Sophia ist inzwischen viel herumgekommen. Im vergangenen Jahr trat sie in Dijon auf, dieses Frühjahr in Roskilde, Dänemark. Dabei hat sie schon viel gelernt. „Es ist wichtig, gleichmäßig zu drehen, auch bei Rhythmuswechseln“, sagt sie. Mittlerweile hat sie den Kniff raus. Beim Drehorgelfest stellt sie das unter Beweis.

Das Drehorgelfest findet vom 5. bis 7. Juli statt. Mehr Infos unter www.internationale-drehorgelfreunde-berlin.de

Anima Müller

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