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Die bislang einzige Berliner Seilbahn fährt über den Gärten der Welt in Marzahn.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neue Gondelbahnen für Berlin: Verkehrsclub schlägt Seilbahn über den Wannsee vor

Der VCD hält Seilbahnen als Massentransportmittel für kaum geeignet – allerdings gebe es einige Strecken, wo sie den Verkehr entlasten könnten. Der Teufel steckt jedoch im Detail. 

Die Idee klingt verlockend: Einfach in die Gondel steigen und vom Hansaplatz über den Tiergarten zum Potsdamer Platz schweben. Seilbahnen haben gleich eine Reihe von Vorteilen. Sie machen keinen Lärm, werden durch Stau nicht ausgebremst und müssen an roten Ampeln nicht stoppen. Aber taugen sie als Verkehrsmittel für die deutsche Hauptstadt? 

Auf die Vorzüge hat zuletzt die FDP-Fraktion im März in einem Antrag ans Abgeordnetenhaus hingewiesen. Die Parlamentarier haben inzwischen entschieden, das Thema im Verkehrsausschuss weiter zu behandeln. Die Diskussion ist noch lange nicht zu Ende.

Die Liberalen wollen, dass der Senat fünf Seilbahnstrecken wie die zum Potsdamer Platz oder vom S-Bahnhof Tempelhof über das Tempelhofer Feld zum Columbia-Damm prüfen lässt. Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht, dass Seilbahnen ihre Stärken haben. 

Dazu zählt der VCD-Landesvorsitzende Heiner von Marschall, dass sie am Boden vergleichsweise wenig Platz brauchen. „Allerdings muss man sehr gezielt gucken, wo man sie einsetzen kann.“

Generell seien sie vor allem dann interessant, wenn Höhenunterschiede zu überbrücken seien. „Aber das haben wir in Berlin eher weniger. Sie haben auch keine hohe Geschwindigkeit“, so der Vorsitzende des Landesverbands Nordost. „Als Massenverkehrsmittel ist es aus unserer Sicht nicht wirklich geeignet.“

VCD schlägt Seilbahn über den Wannsee vor

Nach Einschätzung des VCD bieten sich Seilbahnstrecken insbesondere da an, wo sonst kostspielige Alternativen nötig wären - etwa eine Brücke. In solchen Fällen könne er sich das vorstellen, sagt von Marschall. „Von Kladow zum S-Bahnhof Wannsee zum Beispiel.“ Die Strecke über den Wannsee fände auch Tino Schopf sinnvoll – der Verkehrsexperte der Berliner SPD-Fraktion hält Seilbahnen grundsätzlich für ein überlegenswertes Verkehrsmittel.

Auch aus seiner Sicht sind sie aber allenfalls eine Ergänzung zu den bestehenden Verkehrsmitteln und haben auch Nachteile: Einer ist die begrenzte Geschwindigkeit, ein anderer der beschränkte Radius. Seilbahnen seien nur für Strecken zwischen einem und sieben Kilometern sinnvoll, sagt Schopf. Und weil die Kabinen vor jedem Halt abbremsen müssten, könne es auch nur eine überschaubare Zahl an Stationen geben.

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Ähnlich sieht es der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Harald Moritz. Seilbahnen hält er als Zubringer zum ÖPNV oder als Ersatz für einen Brückenbau für vernünftig - eine Strecke über die Havel etwa sei eine Überlegung wert. Aber die höchste Priorität habe der Seilbahnbau für Berlin nicht. „Wir haben noch zu tun, dass wir gerade bei der Straßenbahn zügiger vorankommen“, sagt der Verkehrsexperte. „Die innerstädtischen Strecken wie über den Tiergarten sehe ich eigentlich nicht.“

Skeptisch ist da auch der VCD: „Beim Tempelhofer Feld ist mir der verkehrliche Nutzen nicht klar, da gibt es parallel U-Bahn und ähnliches“, sagt von Marschall. Auch der Potsdamer Platz sei nicht schlecht angebunden. „Dass wir ausgerechnet da eine Lücke hätten, die wir auf diese Weise schließen müssten, sehe ich beim besten Willen nicht.“

Bislang einzige Seilbahn fährt in Marzahn

Bisher gibt es in Berlin - von Spielplätzen mal abgesehen - nur eine einzige Seilbahn: Sie startet im Nordosten der Stadt an der U-Bahnstation Kienberg, wo die U5 hält. Von dort aus geht es in sechs Minuten in einer Höhe von bis zu 35 Metern und mit einer Zwischenstation über das Wuhletal zur Station Gärten der Welt.

Gebaut wurde die Seilbahn mit 64 Gondeln, die bis zu 10 Personen befördern können, 2017 zur Internationalen Gartenausstellung (IGA). Sie ist auf einer Strecke von 1,5 Kilometern im Einsatz, derzeit steht sie unter anderem wegen der Corona-Pandemie allerdings still. Die Verbindung werde größtenteils zu touristischen Zwecken genutzt - also durch Besucher der Gärten der Welt, betont die Verkehrsverwaltung.

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„Seilbahnen sind Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, die meist nur wenige Umsteigeoptionen bieten“, sagt deren Sprecher Jan Thomsen. „Daher haben sie im innerstädtischen Einsatz - außerhalb etwa touristischer Nutzungen - entscheidende Nachteile gegenüber ÖPNV-Verbindungen.“

Für den Linienverkehr in der Innenstadt komme noch der Personalbedarf an jeder Station hinzu, um Barrierefreiheit und sicheres Ein- und Aussteigen insbesondere von Kindern oder älteren Menschen zu gewährleisten, ergänzt Thomsen. Außerdem sei der Betrieb von Seilbahnen ab bestimmten Windgeschwindigkeiten nicht mehr möglich.

Eine Seilbahn als ÖPNV-Angebot sei nur dann interessant, wenn andere Vorteile klar überwiegen würden. „Das ist derzeit nicht absehbar.“ Die Verkehrsverwaltung hat deshalb keine konkreten Pläne zum Seilbahnbau. Und ob die Befürworter bald deutlich mehr Druck machen, muss sich noch zeigen. (dpa)

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