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Berlin: Neue Ideen für alte Bretter

Marlene Dietrich und Heinz Erhardt sind im alten Hansa-Theater in Moabit aufgetreten, seit zwei Jahren läuft dort gar nichts mehr Jetzt will der Theatermacher Horst Ruprecht den traditionsreichen Spielort mit einem jungen Ensemble neu beleben

Es ist kühl. Kabel hängen von der Decke, muffige Luft hängt über Polstersesseln. Die Mauer im Rang ist an einer Stelle durchbrochen, dort waren anscheinend mal Scheinwerfer installiert. Die sind jetzt alle weg, genauso wie die übrige Technik, die Kronleuchter, das Garderobenmobiliar und 300 der einst 500 Sitzplätze. Der Bühnenvorhang lässt sich nicht mehr öffnen. Alte Flyer krümmen sich langsam Richtung Erdboden, die Ereignisse, die sie ankündigen, sind lange vorbei.

Das Hansa-Theater in Alt-Moabit 48 ist nur noch ein Schatten seines früheren Selbst, dumpf und vergessen schlummert es hinter hässlichen Absperrplatten, von einem BVG-Wartehäuschen, das direkt vor dem Eingang aufgebaut wurde, zusätzlich versteckt. Die gute Verkehrsanbindung wirkt wie Hohn, denn seit zwei Jahren steht hier niemand mehr auf der Bühne. Das Haus liegt in einem kalten Dornröschenschlaf.

Doch Horst Ruprecht traut sich die Rolle des Prinzen zu. Der Theatermacher aus dem Osten Deutschlands will das Hansa im Frühjahr wiedereröffnen. Er ist nicht der Erste: In den vergangenen Jahren hat es eine ganze Reihe von Versuchen gegeben, dort ein Kulturzentrum zu etablieren, das trotz der schwierigen Lage in Moabit sowohl die Besucher der großen Mitte-Bühnen als auch die Leute im Kiez anspricht. Eigentlich ist das 1888 für eine Brauerei errichtete Theater, an dem Marlene Dietrich, Heinz Erhardt und Brigitte Mira gearbeitet haben, ein großes Stück Moabiter Geschichte. Aber zuletzt scheiterten auch die Macher des „Engelbrot“, 2009 machten sie nach nur zwei Jahren dicht. Liegt ein Fluch auf dem Haus?

Davon will der 66-jährige Horst Ruprecht nichts wissen. Ruhig und entschlossen wirkt er, als er mit väterlicher Stimme und festem Ton durch die verlassenen Räume führt und dabei seine Pläne erklärt. Seit 2010 habe er ein Auge auf das Hansa-Theater geworfen. Eine junge Truppe will er hier installieren, scharf, satirisch, hungrig – das ist der Kern seines Konzepts. Ein Ensemble mit rund 15 Mitgliedern soll entstehen, alle frisch von der Hochschule. „So etwas macht heute eigentlich niemand mehr.“ Er schon. Ruprecht will Examenskandidaten und Absolventen eine erste künstlerische Heimat bieten. Fürstliche Gehälter würden sie natürlich nicht bekommen, aber doch mehr als an vielen Off-Theatern.

Dabei kommt ihm zugute, dass er seit Jahren als Dozent an der Berliner Schauspielschule Ernst Busch und an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater lehrt. Praktiker ist er genauso, als Ensembleleiter in Nordhausen, Meiningen, Halle und Magdeburg. „Ich möchte mich nicht als Widerstandskämpfer gerieren“, sagt er, „aber in der DDR galt ich als Querulant.“ Er war der Erste, der dort den als bürgerlich verschrienen Ödön von Horváth auf die Bühne brachte. Jetzt arbeitet er als freier Regisseur, zuletzt inszenierte er in Trier Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ und am Wiener Volkstheater Tennessee Williams’ „Endstation Sehnsucht“. Ruprecht strahlt das gewissen Quantum an Seriosität und Verlässlichkeit aus, das es braucht, um an seine Pläne zu glauben. Er scheint ziemlich genau zu wissen, worauf er sich einlässt – und weiß, dass er scheitern kann. „Es ist eine Laborsituation. Aber mit unserem Konzept können wir mehr erreichen als zuvor.“

Die Idee eines jungen, festen Ensembles unterscheidet sein Projekt von anderen Theatern, die in jüngster Zeit wiedereröffnet wurden. Am Schlossparktheater hat zwar mit Dieter Hallervorden ebenfalls ein alter Hase ein brachliegendes Haus übernommen (und eigenes Geld investiert), aber Hallervorden setzt vor allem auf Stücke mit wenigen, prominenten Schauspielern. Bei Ruprecht soll das Ensemble der Star sein. Demnächst, so sein Stufenplan, wird ein Mietvertrag mit der österreichischen Immobilienfirma unterzeichnet, der die ganze Häuserzeile in Alt-Moabit gehört. Losgehen könnte es im Mai 2012. Ruprecht will Stücke mit Berlin-Bezug zeigen: „Happy End“ von Bertolt Brecht mit der Musik von Kurt Weill, „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ nach einem Roman von Erich Kästner sowie die Uraufführung von Gad Becks Roman „Und Gad ging zu David“, den der diesjährige Buchpreisträger Eugen Ruge in eine Dramenfassung gebracht hat. Auch Festivals, Vorträge, Konzerte und migrantisches Theater könnte es hier geben. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Im Moment geht es ganz nüchtern darum, das Haus baulich wieder in Schuss zu bringen. Eine Viertelmillion sei nötig, sagt Ruprecht, um zumindest kosmetische Bauarbeiten auszuführen und einen Spielbetrieb zu unterhalten. Die Hälfte davon sei vorhanden, teils komme das Geld von Stiftungen, teils aus seiner Privatkasse. Aber natürlich freut er sich über jeden Sponsor, der bereit ist, ihm zu helfen. Damit das Hansa-Theater dem langsamen Vergessen entrissen wird.

Weitere Informationen unter

www.neues-hansa-theater.de

www.moabitinfo.tv

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