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Berlin: Neue Wertschöpfung

Millionen Wertpapiere liegen seit Kriegsende in den Bunkern der Reichsbank Am Samstag wurden sie zum ersten Mal bei einer Versteigerung angeboten

„56 000 Euro! Ach!“ Ellen Händler, die Sprecherin des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, ist begeistert. Viel Geld für ein paar zehntausend alte Papiere. 400 Bieter sind zur ersten Auktion von Wertpapieren aus der Vorkriegszeit gekommen, ihnen werden 12 Millionen Dokumente angeboten. Die Sammler und Händler zahlen bis zu sechsmal mehr als das Auktionshaus Dr. Busso Peus zuvor geschätzt hat. Christian Stoess leitet die Versteigerung. „Wer ist mit tausend Euro dabei?“, fragt Stoess und blickt auf einen Wald von Bieterschildern. Am längsten bleibt Nummer 116 dabei. „Herzlichen Glückwunsch!“, ruft Stoess.

„Auf diesen Tag haben wir acht Jahre lang gewartet“, sagt Stefan Adam, ein Wertpapierhändler. „Das ist wie Wimbledon, Flushing Meadows und alle andere Turniere zusammen für einen Tennisprofi.“ Etwa zwei Millionen Papiere gab es bisher auf dem Sammlermarkt. „Mit der Einführung von 12 Millionen neuen Exemplaren wird der Markt umgekrempelt“, sagt Christian Stoess. In 674 Einheiten werden Großposten einer Aktie mit bis zu 12000 Exemplaren versteigert. Dazu kommen so genannte Sammlerlots, in denen verschiedene Aktien in geringer Anzahl zusammengestellt wurden. Bei einem solchen Angebot hat auch Martin Ernst zugegriffen, zu einem „vernünftigen Preis“, wie er meint. Der Geschäftsführer der Interhotel Holding hat Aktien des Bellevuehotels in Dresden ersteigert. Die will er in den neuen Suiten seines Dresdner Hotels aufhängen. Gut gelaunt verlässt er mit seinen Schätzen das Haus des Gesundheitsministerium in der Wilhelmstraße, wo die Auktion stattfand.

Die Geschichte der Papiere beginnt 1941. Die Nationalsozialisten nahmen ihren Opfern alle Wertpapiere ab und sammelten sie in den Bunkern der Reichsbank. Als 1945 die sowjetischen Truppen Ost-Berlin besetzten, verboten sie den Handel mit Wertpapieren, die noch im Umlauf befindlichen Dokumente mussten abgegeben werden. Insgesamt 30 Millionen Papiere lagen seitdem in den Bunkern der ehemaligen Reichsbank, dort, wo heute der Außenminister sitzt. 1948 erließ die westdeutsche Regierung die Wertpapierbereinigungsgesetze; alle alten Dokumente waren mit einem Mal wertlos – auch die Aktien von Mannesmann, Daimler Benz, Ostpreußische Kleinbahnen-AG oder Tobis Tonbild-Syndikat.

Nach dem Fall der Mauer, zwischen 1991 und 1995, gingen bei den Behörden 4500 Anträge von Geschädigten ein, die ihre konfiszierten Dokumente zurückhaben wollten. „Den ursprünglichen Marktwert haben die Papiere nicht mehr, aber sie haben zum Teil einen Sammlerwert bekommen“, erklärt Ellen Händler vom Vermögensamt. Der Erfolg der Auktion gibt ihr Recht.

Ausgenommen von der Versteigerung waren ausländische Wertpapiere und Exemplare, über deren Rückgabe an Geschädigte noch nicht entschieden ist. Der Erlös der Versteigerung geht an den Entschädigungsfonds für Opfer des DDR-Regimes. Und da kam am Sonnabend einiges zusammen.

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